Wie findet man einen originellen Stoff? Wie schafft man glaubwürdige und faszinierende Charaktere? Wie optimiert man das dramatische Potenzial einer Story? Viele Fragen stehen am Anfang jedes Filmprojektes. Das vorliegende „How-to-do-Book“ zum Thema Drehbuchschreiben versucht einige dieser Fragen zu beantworten.
Üblicherweise habe ich zu solchen Lehrbüchern und Ratgebern ein zwiespältiges Verhältnis, da ihnen meist der Beigeschmack von Schule und Bevormundung anhaftet. Dazu kommt noch erschwerend der ewig schwelende Konflikt zwischen den beiden diametral entgegengesetzten Meinungen, die da heißen:
Drehbuchschreiben für den abendfüllenden Kinospielfilm sei ein Handwerk, das man erlernen kann und ohne gekonnte Umsetzung der Regeln sei kein Zuschauer gewillt, auch nur einen Groschen in den Kauf einer Kinokarte zu investieren.
Die Vertreter der anderen Richtung meinen: Welcher kreative Mensch, Filmemacher oder Drehbuchautor lässt seine Phantasie schon gerne in vorgegebene Story- oder Zeitabläufe pressen? Die Wahrheit liegt wie immer dazwischen.
Der vorliegende „Leitfaden für das filmische Erzählen“ möge jungen Film- und Drehbuchautoren als Orientierungshilfe dienen, damit sie im Labyrinth der heutigen Multimedia-Gesellschaft nicht verloren gehen, so der Wunsch des Autors, Dr. Michael Schneider, seines Zeichens langgedienter Mitarbeiter des ZDF und seit 10 Jahren Professor an der Filmakademie Baden-Württemberg für den Fachbereich Drehbuch.
Mit der Etablierung des Begriffes „Labyrinth“ befinden wir uns schon inmitten eines sehr wichtigen Kapitels für das Drehbuchschreiben: „Die Bedeutung von Mythos und Märchen“ heißt folgerichtig das zweite Kapitel. Hier erfährt man knapp und informativ das Wichtigste über das universelle Erzählmuster des Mythos und des Märchens, woraus nicht nur die amerikanische (Film)Dramaturgie geformt ist: Die klassische Heldenreise arbeitet mit bestimmten Archetypen, denen im Verlaufe der Story wichtige dramaturgische und psychologische Funktionen zukommen. Zwei nennenswerte Drehbuchgurus sind die beiden Amerikaner Linda Seger („Making a Good Script Great“, „Creating unforgettables Characters“) und Christopher Vogler mit seinem Hauptwerk „The Writers Journey“. Weitere Script-Doctoren, deren Essenz Schneider in seine Ausführungen einfliessen läßt, sind: Syd Field mit seinem schematischen Paradigma des Dreiaktmodells, Andrew Horton („Writing the Charakter-Centered Screenplay“) und den verstorbenen Frank Daniel mit seinen Mitarbeitern David Howard und Edward Mabley („Tools of Screenwriting“).
Charakterorientiert zu schreiben erachtet Schneider als eine der Grundvoraussetzungen für das Funktionieren eines Drehbuches, denn in der Eindimensionalität und Stereotypie der Charaktere ortet er das Defizit vieler Drehbücher seiner FilmstudentInnen. Um Abhilfe zu schaffen, verrät der Drehbuchprofessor einige methodische Hilfsmittel, um die Stofffindung zu erleichtern und die jeweiligen Figuren auf ihre „Unverwechselbarkeit“ abzuklopfen. Dass solche Instrumentarien, richtig angewendet, durchaus hilfreich sein können, zeigen die abgedruckten Werkstatt-Texte der Studierenden, die oft die Vorlage für Regieübungen und Kurzfilme liefern.
Die Kapitel VII und VIII widmet Schneider einem besonderen Filmgenre – der Filmkomödie. Sie wird in ihrer Vielschichtigkeit, was Erzählmuster, Techniken und Stile anbelangt, behandelt und Schneider möchte sie abgegrenzt wissen von der sogenannten fun-culture, einer zunehmenden Trivialisierung und Verflachung, wie sie in manchen TV-Serien und Soap-Operas um sich greift.
Alles in allem ist Vor dem Dreh kommt das Buch kein Lehrbuch im üblichen Sinne, vielmehr ein locker aneinander gefügtes, plausibel entwickeltes Kompendium mit thematischen Schwerpunkten, eine gelungene Mixtur aus klassischer und neuerer Filmdramaturgie, aus Filmanalyse und gelegentlicher Filmkritik.