#Prosa

Ashburns Knöpfe

Alexander Widner

// Rezension von Alexander Peer

Possen und Posen der vorletzten Tage.

Der ‚alte Wilde‘ aus Klagenfurt

Ashburns Knöpfe von Alexander Widner erweist sich als vielstimmiges Kompendium von Aufzeichnungen, so als gelte es den Anspruch auf Stringenz a priori als Illusion auszuweisen. Aber hat ein Buch unbedingt stringent zu sein? Das Leben ist es ja schließlich auch nicht. Vielmehr verrät der Autor, der sich in seinem alter ego „Ashburn“ ein Sprachrohr schafft, folgendes: „Meine Bemerkungen am Rand des Lebens haben keine Aufgabe, sollen nicht und nichts deuten, sie sollen mein Aufmerken aufladen, meine Tage in Spannung halten. Und so manchen Tag schlafe ich darüber ein.“ (S. 120) Lesende dieses Bandes schlafen jedoch nicht ein, das Buch leistet seine Aufgabe als Herz-Kreislauf-Therapeutikum.

Wenn schon nicht ein ‚junger Wilder‘, so ist die Stimmlage vieler Sentenzen doch einem ‚alten Wilden‘ zuzuschreiben. Hier ereifert sich einer an Verhängnissen und an Manieriertheiten unserer Kultur. Die größere Familie, zu welcher sich diese erboste Stimme zählt, ist jene, die schon in den früheren Bänden von Widner zu finden ist. Auf Seite 107 etwa heißt es: „Ich möchte den Satz schreiben, den ich, ohne meiner unsicher zu sein, Céline, Pessoa und Cioran zeigen könnte.“ Getrost könnte er einige Sätze diesen und anderen geistigen Vorfahren zur kritischen Ansicht vorlegen.

In die Tonlage dieser aphoristischen Sentenzen, die als konsequente Fortsetzung von Widners Prosapublikationen zu verstehen ist, mischen sich Pathos und Wut. Ohne Gnade und mit großer Bereitschaft eigene Vertrautheiten mächtig zu untergraben, entsteht schließlich eine Sammlung von oft nihilistisch gefärbten, dadurch allerdings subversiv wirksamen Gedanken. Die Empfehlungen, die man hier zu lesen bekommt, überraschen immer wieder: „Man begegne jedem Autor mit Ablehnung, ja mit Hass. Er will zwingen. In jedem Fall also: Hass. Wird sein Zwang zu deinem, ist dir nicht zu helfen. Du hast nicht gut genug gehasst.“

Zwischen diesen gewissermaßen mit geballter Faust artikulierten Ratschlägen ist allerdings ein ganz anderes Temperament eingefügt. Von einem Enkelkind Lara ist die Rede, das sich in oft fantasievoll-trotziger Weise gegen die Erwachsenenwelt zur Wehr setzt, und seinem Großvater, der bisweilen fast neidisch auf dieses junge, sich gegen die Vereinnahmung wehrende Kind blickt.

Die Themen der Aufzeichnungen sind zahlreich: Immer wieder Musik, die USA, die Verweise auf Literatur und Philosophie und dazwischen der argwöhnische Zugriff auf die Politik bzw. das öffentliche Leben und die darin lächerlich agierenden Proponenten, die eben voller Possen und Posen sind. Auch wenn die eine oder andere Bemerkung mitunter nicht ganz die Zugkraft entwickelt, die sich der Autor  mutmaßlich versprochen hat, so besticht dieses Journal der Wahrnehmung doch in einem ganz gewiss, in einer aufrichtigen, zutiefst subjektiven Auseinandersetzung mit Kultur.

Ashburns Knöpfe.
Aphorismen, Kurzprosa.
Klagenfurt / Celovec: Wieser Verlag, 2014.
127 Seiten, broschiert.
ISBN 9783990290897.

Verlagsseite mit Informationen über Buch und Autor

Rezension vom 01.07.2014

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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