Welsh geht von großen Begriffen wie dem der Heimat und der Un-/Missverständlichkeit von Sprache aus, sie zitiert Wittgenstein und Ebner-Eschenbach. Nicht nur die österreichische Tagespolitik, vergangene und heutige Niederungen, auch eine persönliche sprachtheoretische Erkenntnis der sechsjährigen Renate wird zu einem Ausgangspunkt für ihre Überlegungen. Das Mädchen kann auf dem Heimweg von der Schule die Ansicht des Himmelsblaus so gar nicht fassen und weiß bereits, als sie verspätet weitergeht, dass sie niemandem wird mitteilen können, was sie gesehen oder besser wahrgenommen hat.
Viele Jahre und unzählige (nicht nur) Kinder- und Jugendbücher, die Generationen geprägt haben, später – und wissend um die Mehrzahl jener Menschen, die nicht in deren Genuss kommen, die überhaupt keine Möglichkeit zu Kunst oder Kultur, zu Rezeption und Reflexion (mit)bekommen haben – stellt Welsh die Frage nach dem Sinn literarischer, künstlerischer Arbeit. Sie findet eine Antwort in den Schreibwerkstätten, die sie seit langem etwa für die Wiener Vinzirast mit ehemals Obdachlosen, verschiedentlich gestrandeten Menschen, im landläufigen Sinn Hoffnungslosen, abhält. Hier findet sie die Hoffnung da, wo es eigentlich keine geben sollte, in der Kommunikation zwischen Schreibenden und Lesenden (manchmal wird die Schreibende zur Leserin ihres eigenen Textes) und natürlich im Zur-Sprache-Kommen überhaupt.
Welsh vermittelt kleine hoffnungsvolle Momente, von Lesereisen, von Kontakten mit Lesenden, aber auch von Menschen, die gerne von der Schriftstellerin beschrieben worden wären, um dem eigenen Verschwinden entrissen zu werden. Wenn sie kurze Dialoge von Jugendlichen in der U-Bahn aufgreift, sie sich mit dem „Wir“-Begriff und dessen problematischer Konnotation im Zuge der sogenannten Flüchtlingskrise ab 2015 auseinandersetzt, bekommen die Gedankengänge mitunter etwas Episodisches und man wünschte sich, Renate Welsh wäre an den einzelnen Begriffen drangeblieben, hätte ihre Gedankengänge dazu noch weiter vertieft. Dass aber Literatur und Kunst überhaupt, auch wenn sie in der Verlorenheit wurzeln, wie Welsh dies nicht nur für die eigene Literatur empfindet, Vielfalt feiern kann, ohne das Eigene zu gefährden, sondern im Gegenteil, dieses gerade zu schärfen und dass Hoffnung nicht weil, sondern trotzdem Bestand hat, vermittelt dieser Essay auf berührende Art.