Emily Walton wurde 1984 in Oxford/England geboren. Als Journalistin ist sie für zahlreiche Medien tätig und hat daneben Reiseführer über Brüssel, Straßbourg und Salzburg vorgelegt. 2011 erschien ihr Debütroman Mein Leben ist ein Senfglas, die Geschichte eines Mädchens, das wie die Autorin selbst mit acht Jahren von Großbritannien nach Österreich zieht. Mit Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte begibt sie sich auf den Spuren von F. Scott Fitzgerald an die Côte d’Azur, an der in den 1920er-Jahren Kultur- und Literaturgeschichte geschrieben wurde.
Es begann mit ein paar verwöhnten Amerikanern, die es nicht zur Sommerfrische in die kalte Normandie drängte, sondern in den heißen Süden Frankreichs, den man damals höchstens im Winter aufsuchte. Unter ihnen der Society-Autor, Trendsetter, Meinungsbildner und Chronist der „Roaring Twenties“ Fitzgerald, ein reicher Pinkel mit Geltungssucht, schlechten Manieren und Minderwertigkeitsgefühlen, der mit Geld nicht umgehen kann und 1920 seinen Job in einer Werbeagentur aufgegeben hatte, um einen Roman zu schreiben – was ihm in der Folge rund 12.000 junge Männer pro Jahr nachmachten, allerdings ohne den Erfolg ihres Idols.
Er ist Mitglied eines illustren Freundeskreises um die Mäzene und Lebenskünstler Sara und Gerald Murphy und hat im Sommer 1926, in dem das Buch angesiedelt ist, einen Rivalen bekommen: Ernest Hemingway, den aufsteigenden Stern am Literaturhimmel, den Fitzgerald protegiert und beneidet. Mit seinem eigenen neuen Roman kommt er nicht voran. Grund genug, seine schlechte Laune auf den Partys der Murphys herauszulassen. Fitzgerald hat es auf Skandale angelegt, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Wie seine Frau Zelda ist er labil und braucht den sogenannten „Kick“.
Es ist eine Welt der Reichen und Schönen, so wie sie Fitzgerald in Der große Gatsby für Long Island beschrieben hat. Gerald und Sara entdecken den Naturstrand, das Waffeleisen, Zuckermais und den Charleston, Champagner fließt in Strömen, und Cocktails werden kreativ gemixt. Auf einer solchen Party wird auch der titelgebende Kellner gefesselt, aber noch während die Säge gesucht wird, kann er durch Brüllen auf sich aufmerksam machen und wird in letzter Minute befreit – eine Szene, die Fitzgerald später in seinen Roman eingebaut.
Emily Walton zeichnet anhand von Recherchen, darunter vielen Originalbriefen, ein eindrückliches Bild eines Schriftstellers in der Schreibblockade, eines gescheiterten, unglücklichen Vertreters einer „verblassten Ära“. Als Fitzgerald nach drei Jahren aus Frankreich in die USA zurückkehrt, sind seine Träume geplatzt, der Roman ist immer noch nicht fertig und die Ehe zerrüttet. Erst 1934 erscheint Zärtlich ist die Nacht, Sara und Gerald Murphy sind entsetzt, wie viel von ihrem Privatleben in den Roman geflossen ist. 1940 stirbt Fitzgerald mit nur 44 Jahren in Folge von zwei Herzinfarkten. Auf den letzten acht Seiten begleiten die LeserInnen die Autorin ins heutige Juan-les-Pins, wo von Hollywoodstars bis zu russischen Oligarchen immer noch die Reichen und Schönen übernachten und die glorreiche Zeit der 1920er Jahre PR-Zwecken dient.
Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte, das Porträt eines Autors in einem Sommer, der einen Wendepunkt in seinem Leben darstellt, erscheint im Literaturprogramm des Verlags Braumüller. Genrebezeichnung trägt der Text keine. Auf der Kippe zwischen Biografie und Literatur neigt sich das Buch eher auf die erstere Seite. Sprich, dem exzellent recherchierten Material wird kaum etwas hinzugefügt, die Geschichte wird beschrieben, aber nicht in Szene gesetzt. In den soliden Stil schleichen sich bisweilen stereotype Wendungen wie die „außergewöhnliche Freundschaft“ oder die „ungemeine Wirkung“ einer Frau auf Männer.
Am stärksten ist der Text, wenn Walton das Geschehen mit lakonischen, kurzen Sätzen kommentiert und interpretiert: „Dieser Roman wird ihn endgültig von der Qual erlösen, zeitraubende Kurzgeschichten schreiben zu müssen, um seinen Lebensstil aufrechtzuerhalten. Davon ist er überzeugt. F. Scott Fitzgerald träumt nicht im Konjunktiv.“
Oder, über eine Prügelei während einer Party: „Als sie wieder heraustreten, sind die Wangen beider Männer rot. Auch Schriftsteller haben Muskeln und Fäuste.“
Davon könnte man mehr vertragen. Und vielleicht hätte man auch gerne mehr über die Natur der künstlerischen Begabung eines der wichtigsten amerikanischen Autoren des 20. Jahrhunderts erfahren als über seine immergleichen Exzesse.