Schlußendlich gelingt es ihm doch, den Burgtheaterdirektor, Johann Ludwig Deinhardstein, zur Premiere seines neuen Stückes, Der böse Geist Lumpazivagabundus, ins Theater an der Wien einzuladen. Nestroy aber verspielt auch diese große Chance grandios. Als es mitten in einem ernsten und tiefgreifenden Monolog zu Tumulten im Publikum kommt, geht Nestroys Temperament mit ihm durch. Er improvisiert in gewohntem Furor und überschüttet sein Publikum mit Obszönitäten und Beleidigungen – bis er von der Polizei abgeführt wird. Die Hoffnung, ein anerkannter Tragöde zu werden, hat sich nun endgültig zerschlagen.
Peter Turrini zeichnet in seiner Novelle Die Verhaftung des Johann Nepomuk Nestroy einen Zerrissenen. Nestroy feiert als Komödiant Erfolge im Theater an der Wien, sein Wirken und Wünschen aber richtet sich auf das seriöse Burgtheater. „Ist es eine Komödie? Ist es eine Tragödie?“, das vorangestellte Motto, löst Turrini auf mehreren Ebenen ein. Nicht nur Nestroy schwankt zwischen den beiden Polen, auch der Text überlagert das existentielle Ringen Nestroys gekonnt mit Ironie.
Die Novelle verrät deutlich Turrinis Erfahrung als Theaterautor. In knappen Sätzen verfaßt, wirkt der Text wie ein Drama, das im Kopf des Lesenden entsteht, in dem wichtige Stationen im Leben des Dichters und Schauspielers pointiert nachgezeichnet werden. Die Novelle liest sich im Grunde wie eine Bühnenanweisung, ist ebenso direkt und plastisch in ihren Bildern.
Schwieriger ist die Datierung. Turrini läßt seine Handlung in zwei Jahren abrollen. Laut gängigen Nestroy-Biografien hatte Lumpazivagabundus am 11. April 1833 Premiere. Turrini verlegt den Termin um ein Jahr, auf den 10. April 1834. Daß es zu Tumulten nach der Aufführung kam, belegt weder das Kindlersche Literaturlexikon, noch die rororo Monographie.
Das legt nahe, Turrinis Novelle als fiktive Annäherung an Nestroy zu lesen. Als Bündelung aller biografisch wichtigen Themen: Nestroys manischer Expressionismus und Exibitionismus auf der Bühne, dazu seine melancholisch-pessimistische Grundhaltung im Leben, seine bissige Angriffslust und zugleich sein schnelles Resignieren, sein Aufbegehren dagegen, lediglich als Possenautor und -schauspieler anerkannt zu sein.
Turrini bereitet es sichtlich Vergnügen, die Absurditäten des verbeamteten Biedermeierstaates, seine verlogene Hofetikette, sowie die verkommene Theaterpraxis von damals anschaulich, ironisch und mit der nötigen Derbheit vor Augen zu führen. Insofern liest sich seine Novelle selbst wie eine Posse mit Tiefgang.