In Rückblenden rekonstruiert der Erzähler die Geschichte seiner Familie und seinen eigenen Lebenslauf. Die Mutter, Tirolerin, hatte sich in Paris verführen lassen und war schwanger ins heimatliche Dorf zurückgekehrt. Der Vater des Kindes läßt sich nicht blicken, und so verdrückt sie sich bald Richtung Salzburg, wo sie als Kellnerin zwischen Hoch-, Haupt-, und Nebensaison kaum Zeit für ihr Kind findet. Also wächst dieses bei seinen Großeltern in Tirol auf, wo die Bezugsperson der Großvater wird (Thomas Bernhard läßt grüßen): „Ich liebte meinen Großvater, und wenn irgendein Erwachsener mir die im Dorf übliche Frage stellte: ‚Bub, wem gehörst denn?‘, dann konnte ich antworten: ‚Dem Opa!'“ (S. 26) Es folgen das Internat, später der Schulabschluß, dann das lasterhafte Studentenleben in München (inklusive Sex, Drugs and Rock ’n‘ Roll). Die Vernunft und die Liebe bringen Dominic wieder ins biedere Tiroler Dorf zurück. Dort lebt er eine Weile ganz glücklich, wenn da nicht noch immer diese Zweifel wären: „Und plötzlich war dieser niederschmetternde Gedanke da, daß sich nie mehr etwas ändern würde für mich.“ (S. 71) Er unternimmt einen Ausbruchsversuch nach München, kehrt schließlich zu seiner Frau zurück, deren Gesicht nach einem schweren Autounfall entstellt ist, verliert jedoch mehr und mehr das Interesse an ihr … (Gernot Wolfgrubers Melzer aus „Herrenjahre“ läßt grüßen).
Schließlich die Trennung und jetzt der Versuch, seinen Vater zu einem Gespräch zu zwingen. Die wagen Hoffnungen, der der Sohn in dieses Treffen steckt, erfüllen sich nicht. Es kommt nur zu einem zehnminütigen Gespräch, bei dem er nichts weiter über seinen Vater erfährt, als daß dieser gerne Operetten hört und überhaupt das ruhige Leben im allgemeinen liebe. Es bleibt zum Schluß ein etwas enttäuschter Sohn: „Wir hätten vielleicht gute Freunde werden können. […] Ich weiß nicht, ob ich zufrieden bin. Aber ich weiß jetzt, wie es ist, einen Vater zu haben.“ (S. 148)
Rue de Languedoc, Victor Tiefenbrunners erste Buchveröffentlichung, widmet sich geradezu „klassischen“ Themen: Beziehungslosigkeit zwischen Eltern und Kindern, Suche nach dem Vater, die Enttäuschungen des Lebens angesichts hochtrabender Jugendpläne etc. Leider gelingt es dem Autor nicht immer, auf Versatzstücke und Klischees zu verzichten. Über die Drogenerfahrungen in München heißt es: „Die Droge veränderte unser Leben vollständig. […] Natürlich glaubten wir, die Sache jederzeit in Griff zu haben.“ (S. 77) Und über eine Französin, mit der Dominic in Paris (wo sonst?) eine Affäre hat: „Nach Paris der Liebe wegen. Das war, was mich so sehr an ihr fasziniert hatte. […] Sie war diese Art geduldige Jägerin, die sich wie eine Spinne tarnt und wartet. Und so, wie sie aussah, mußte sie nicht lange warten.“ (S. 95) In solchen Fällen bleibt die Erzählung an der Oberfläche; Ironie oder das Spielen mit Klischees sucht man vergeblich. – Profil gewinnt die Geschichte aber dort, wo es um die Beziehung zwischen Vater und Sohn geht. Etwa wenn die Mutter die ärmellose Weste von Dominics Vater auftrennt, um dem Sohn einen Pullover daraus zu stricken. Oder beim Treffen zwischen den beiden, als der Vater den Sohn fragt, was er denn jetzt mache solle: „Ich zuckte hilflos mit den Achseln. Das mußte er doch selbst wissen. Er war der Vater.“ (S. 129)
Victor Tiefenbrunner beweist stellenweise durchaus Beobachtungsgabe und Erzähltalent. Die zahlreichen Stereotypien trüben aber das Lesevergnügen. Manchmal stimmen sie allerdings auch – unfreiwillig – heiter. Wie heißt der deutsche Schäferhund des ehemaligen SS-Mannes Eder in der Wohnung einen Stock tiefer? – „Hasso“.