Paradoxerweise verwandeln sich diese literarischen Referenzobjekte durch Stährs Umtexte zu Bezugspunkten der außer-literarischen Welt. In der Textvorlage auftretende Figuren werden im neuen Text dadurch rückwirkend verfestigt und verfleischlicht, daß sie ihre Qualitäten, Charaktere, Biographien ein zweites Mal durch den Autor Stähr hindurch erleben müssen, wenn auch umgetextet und dadurch abweichend von der Quelle.
Es ist jedoch kein Zauberkabinettstück, kein Vexierspiel mit Realitätsebenen und Zwillingswelten, das aus postmodern unangetasteter Selbstsicherheit und -genügsamkeit lieblos abgespult würde; vielmehr schreibt sich Stähr existentiell und unentrinnbar in die fremden Textwelten ein. Er erweitert damit jenen Grundgedanken der Moderne, daß alle Materialen – unabhängig von ihrer üblichen Bedeutung – gleichwertig betrachtet und benutzt werden können, dahin, daß seine „Umtexte“ vor den üblichen Wirklichkeits- und Textdefinitionen nicht halt machen: Seine Ausgangstexte sind ihm in den Umtexten ebenso Material wie seine Befindlichkeiten. Unklar und poetisch wirksam wird damit, was Früheres und Späteres, was Impuls und Ergebnis war.
Umtexte sind somit gleichzeitig eine feinsinnige Interpretation von Hauptwerken der Literaturgeschichte und eine genuine literarische Reaktion, die der These vom Verschwinden des Autors im Text neue und überraschende Aspekte abringt.