#Roman

Vito

Peter Schwaiger

// Rezension von Anne M. Zauner

Der oberösterreichische Autor Peter Schwaiger, Jahrgang 1968, ist ein noch weitgehend unbeschriebenes Blatt. Sein Auftritt beim Bachmann-Wettbewerb 1997 ging ohne Widerhall vorbei, die Preise blieben aus. Es gab ein paar neutrale und ein paar hämische Fußnoten zu seinem Text „Opel Record, Olympia 1954“.

Schwaiger veröffentlichte bislang einen Erzählband und ein Kinderbuch; beide Bücher blieben ebenfalls ohne Resonanz. Vito, seine dritte Publikation, ein Roman, wird wohl dasselbe Schicksal erleiden, es wird stillschweigend übergangen werden. Denn das Buch läßt sich zu wenig einordnen. Der Autor schreibt weder aufsehenerregend schlecht, noch fällt er durch außergewöhnliches Talent aus dem Rahmen; es fehlt ihm auch jeder spektakuläre Gestus, der den Blick vom Schreiben weg auf die Person lenken könnte. Peter Schwaiger versucht sich nicht in den gängigen Rollen: weder als genialischer Dichter oder weltferner Poet, noch als haßliebender Österreicher, etc. – er ist also ein Fluch für jeden Kritiker.

Manni Koschinsky interessiert das alles nicht. Er ist fünfzehn. Und er muß eine Geschichte loswerden, ohne Rücksicht auf den Autor, auf Zuhörer. Seine Verwirrungen stürzen ohne Zwischentöne aufs Papier – ungelenk, gehemmt, hastig. Seine Sprache pendelt zwischen kindhafter Unschuld und altklugem Geplapper.
Er berichtet Haarsträubendes, eine wilde Geschichte von einem schwerst verletzten Jungen, einem Altnazi, von versuchtem Mord und einem tödlichen Unfall. Mannis erste Schritte aus behüteter Kindheit in die Erwachsenenwelt geraten ihm zum Spießrutenlauf mit ungewissem Ausgang. In seiner aus den Fugen geratenen Welt wird das Ungeheuerliche alltäglich.
Auch die erwachende Sexualität läßt Manni Koschinsky keine Ruhe. Er erlebt sie als qualvoll, voyeuristisch, obsessiv – nicht lustvoll. „Der Nabel von Berts Mutter verlagerte seine Position, wenn sie ihn mit dem Stück Seife umrundete.“ (S. 94) Fast alles wird ihm zum unerfüllten Objekt der Begierde. Einmal beobachtet er unverhofft, wie sich die breithüftige Mutter eines Schulkollegen splitternackt im Garten wäscht. Im Augenblick seiner Erektion bemerkt er den Vater, der wie aus einem Angsttraum über dem Geschehen thronend alles mitangesehen hat … Ein Mitschüler, Vincent Gross, wird zum Katalysator der Handlung. Er ist der Sohn aus reichem Haus, herrisch, mitleidlos, arrogant und faszinierend. Manni schwärmt für Vito, den Verführer. In seiner durcheinander geratenen Welt ist dieser eine Lichtgestalt, zu der es ihn magisch drängt; bald zählt er zum Hofstaat, und das Abenteuer, das im Alptraum endet, beginnt. In einer Nacht und dem darauf folgenden Tag verschieben sich alle festgeschriebenen Gesetze, Manni beteiligt sich an einem Überfall; er fährt einen Mann nieder; allmählich kippen die aufgestauten Emotionen in ohnmächtige Wut. Die Szenerie verzerrt sich ins Irreale, ein Wirbelsturm bricht los. Im Augenblick höchster Not versinkt die Welt um Manni Koschinsky. Der Sturm übt göttliche Gerechtigkeit und reißt Vito buchstäblich in den Tod. Damit endet die Geschichte, es ist auch ein Abschied von der Kindheit. „Wir sind doch keine Verbrecher! Wir sind Kinder, ich meine … vielleicht keine richtigen Kinder mehr, aber – Scheiße, wir gehen noch zur Schule!“ (S. 180)

Peter Schwaigers Roman ist nicht das Debut des Jahres, Vito ist nicht Reiting-Beineberg, Manni Koschinsky kein Törleß. Dem Autor ist es jedoch gelungen, einen starken Eindruck von der Authentizität des Erlebten zu vermitteln. Die Geschichte wird im Erzählstrom des Jungen lebendig.

Peter Schwaiger Vito
Roman.
Innsbruck: Haymon, 1999.
191 S.; geb.
ISBN 3-85218-302-2.

Rezension vom 29.10.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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