Zusammen mit einem Fernsehteam des deutschen Senders ZDF und einem Halbdutzend Wissenschaftlern reiste er im Winter 2005 von N’Djamena, der Hauptstadt des Tschad, durch das Ennedi nach Nordosten ins Erdis, „zum letzten Außenposten der Zivilisation vor dem Nichts“(Schrott), dem aufgelassenen, mittlerweile zum größten Teil bereits von Sanddünen begrabenen Fort Agoza, einst der entfernteste Stützpunkt der französischen Fremdenlegion. Schrott, der Anfang der 1990er Jahre das Abenteuerbuch des echten „englischen Patienten“ Ladislaus Almásy für das deutsche Publikum entdeckte und dem Haymon Verlag damit einen überraschenden Longseller bescherte, schildert diese Fünfte Welt, die vierte ist jene der Nomadenstämme, wortmächtig und doch überraschend zurückhaltend. Dieser Band ist Reisebericht, literarischer Essay und Medienkritik in einem – seine Bemerkungen über die bereits vor der Reise ins Unbekannte festgelegten Bildmotive und die Kommentare des Regisseurs, das Material der wohl für 19.30 Uhr angesetzten Sendung sei jetzt bei acht Uhr angelangt und jetzt müsse ein Knaller her, sonst würden die Zuschauer zu den Acht-Uhr-Nachrichten umschalten, sind so ätzend wie ernüchternd.
Immerhin ist er im Ursprungsbecken der menschlichen Zivilisation unterwegs. Denn von diesen extrem trockenen, mittlerweile extrem unfruchtbaren, geradezu lebensabweisenden Gebieten setzte die Wanderung der Menschheit ein gen Norden ins Niltal (woraus sich später die pharaonische Hochkultur entwickelte). Zugleich sieht er, den Spuren eines ägyptischen Forschers folgend, der 83 Jahre vor ihm in diese unwirtliche Region aufgebrochen war und diese erforscht hatte, sich selbst auf dieser Reise ins Nichts eigenen Veränderungen gegenüber, der Wüste als existenzieller Herausforderung und existenzialistischer Erfahrung, und Letzten Großen Fragen nach Leben, Überleben, Kunst und der conditio humana. „Die Silhouette des Plateaus vor Augen ist da plötzlich wieder diese seltsam fiebrige Lebendigkeit: seltsam deshalb, weil mir die Weite um mich fremd bleibt, fern – das Zurückgehen in der Zeit jedoch, um in jemandes Fußstapfen zu treten, mir die Vorstellung von Zugehörigkeit schenkt: als könnte man als Mensch nur Menschlichem wirklich nahe sein.“
Schön und aufschlussreich ist das illustrierte Schlussdrittel dieses schmalen Bandes, der Schwarz-Weiß-Fotografien des Kameramannes Hans Jakobi enthält sowie einige ausgewählte historische Aufnahmen, Pläne und Zeichnungen, die Raoul Schrott in Pariser Archiven ausfindig machte.
Dass Raoul Schrott diesen Band, in dem er den unangestrengten Duktus von vor Ort gemachten Notizen beibehalten hat, während die Bildunterschriften ungewohnt, manchmal auch zu gewollt pathetisch daherkommen, dem Verlagshaus Haymon, das ihn einst entdeckte und nachhaltig förderte, zu dessen 25. Geburtstag zur Publikation überantwortete, ist eine nette Geste. Was allerdings nichts daran ändert, dass dieses schmale Bändchen eher ein Neben- und Seitenwerk im Schrottschen Literaturkosmos ist.