In Tirol entfalten sich Szenen der Vorbereitung einer Ausnahmesituatuation. General Eyer und seine Mitarbeiter planen eine Notverordnung, von der man in erster Linie erfährt, daß sie immer schärfer wird. Ein kalter germanischer Wind, der die Protagonisten umweht, bringt die Vorbilder der Militärgesetze ins Spiel, aber ausgerechnet Adolf, der eigene Sohn des Generals, hält nicht, was der Name versprechen sollte, ist Pazifist und grün – spielt aber ansonsten keine überragende Rolle im Kräftespiel der Dekorierten und Uniformierten, das in ein zusehends unüberblickbares Chaos mündet.
Wichtig ist in jeder Hinsicht die Fahnentreue, die optisch, ideologisch und olfaktorisch gepflegt wird: kein Manöver ohne Schnaps, und keiner stört einen General beim Saufen. Wichtige Leute haben eben nicht immer Zeit, und Eyer unternimmt zeitweilig sogar Zeitreisen in alte ZEIT-Ausgaben: von südamerikanischen Diktatoren kann man eben jederzeit was lernen.
Schönauer zeichnet und überzeichnet kleine und größere Schwächen, die zumeist etwas „typisch Österreichisches“ haben, das zunächst undefinierbar scheint, ohne Klischees zu bemühen, bis man merkt, daß es in der Hauptsache aus Anspielungen auf die österreichische (Zeit-)Geschichte besteht. Kämpferischer Tiroler, dekadenter k.u.k. Offizier, alter Nazi, Stammtischalkoholiker, General Eyer ist ein wandelnder Cocktail österreichischer Historizität und Aktualität, in dem sich allerdings vor allem jene Zutaten vereinigen, die man sonst lieber wegschüttet. Und in ihm brodeln sich diese appetitlichen Komponenten zu einer unausgegorenen Machtphantasie zusammen, die trotz ihrer Bedrohlichkeit lächerlich erscheint, ihm aus den Händen gleitet und sich verselbständigt.
Die Figur Eyer wirkt ebenso vertraut wie abstoßend, und die Lächerlichkeit kommt wohl nicht zuletzt daher, daß es ausgerechnet ein General ist, der das Land beherrschen möchte: einerseits sind Exzeß und Disziplin hier sehr nahe beisammen und andererseits liegt die Macht in Österreich bekanntlich nicht unbedingt in den Händen der Militärs… Je mehr nun Eyer versucht, die Paragraphen seiner Notverordnung auf seine Person zuzuschneiden, je konkreter die Details vor ihm entstehen, desto irrealer wird der Rest, der noch geplant werden soll.
Helmuth Schönauer ist eine köstliche Satire gelungen, die aber bei allem Witz und Wahnsinn erschreckend wahre Elemente unserer Gesellschaft enthält. Mit schier unerschöpflicher Phantasie kommt der Autor vom Hundersten ins Tausendste und schichtet kuriose Details übereinander, bis nicht mehr ganz klar ist, welche dieser vielen Ebenen denn nun die reale sein soll.
So ist auch der Roman nicht in Kapitel oder Abschnitte gegliedert, sondern in Erzählsektoren, die man sich aber an sich mehr oder weniger linear aneinandergereiht vorzustellen hat, denn der Leser wartet an einem „Erzählperron“, deren Länge von 250 Seiten er abschreitet … und doch hat man am Ende das Gefühl, man sei im Kreis gegangen, habe Eyer und seine Verbündeten umzingelt, die Notverordnung umschlichen und werfe noch einen letzten Blick auf die Zielscheibe am Cover, um sich nun doch wieder in die Peripherie zurückzuziehen.