In den fünfundfünfzig meist sehr knapp gehaltenen Gedichten wird immer wieder ein Riß manifest, der scheinbar mitten durch die Zeit geht. Aber es sind nicht die drei Nullen, die das Millennium so aufregend machen, es ist die Wahrnehmung, die oft mitten im Satz die Richtung der Witterung ändert.
„Ein Katzensprung // neun Meter weit musst du springen / auf die andere Seite hinüber / ins nächste Jahrhundert / mir in die Arme.“ (S. 29) Die Floskel vom Katzensprung wird sportlich in Metern meßbar aufbereitet, aber in Wirklichkeit geht es um was anderes. Wie mißt man die Entfernung zwischen den Menschen, wie die Zeit zwischen einem Jahrhundertsprung?
Nach einer Ouvertüre über die vier Jahreszeiten, die letztlich immer wieder auf eine abgerundete, zeitlose Witterung abzielen, sind die Gedichte in vier Kapitel gegliedert:
„Unter uns“, „Querfeldein“, „Metropolis“ und „… en passant“. Mit diesen Schlüsselbegriffen lassen sich auch die Hauptmotive der Texte beschreiben. Interessant sind jeweils die Irritationen, die durch den Bilderwechsel entstehen, der Sprung im Bild ist im Entwurf mitkonstruiert. So heißt ein Abzählreim für Zeitgenossen etwa: „müde / matt / krank / schwerkrank / game over“ (S. 23). Ein modernes „Panta rhei“ fährt heutzutage mit der Rolltreppe, immer wieder kommen die gleichen Stufen aus dem Boden heraus und befördern immer gleiche Bewohner von Metropolis.
In einem sehr anregenden Vorwort zum Lyrik-Band stellt Walter Methlagl vier verschiedene Portale vor, durch die man das Buch lesend betreten könnte. So lautet etwa die dritte Empfehlung, auf die lyrische Sprache zu achten: „Der lyrische Sprecher: ein Nomade, ein Zigeuner, ein Bergmann, ein Bootsmann, Odysseus – jedenfalls immer in Bewegung, immer unterwegs, vieles bewegend. Die Sprache: Bewegung aus sich selbst, wie Fäden, die sich aus sich selbst ins Ungewisse entspinnen. Geht man auf ihnen – Schritt für Schritt, Wort für Wort, ein Seiltanz – siehe: sie tragen, über das ganze Netz hin, das dieser Band ist.“ (S. 5)
Roman Santeler hängt seine Gedichte wie leichte Wolle auf die Schnittstelle des Millenniums, aber mit der Ruhe ist es bald vorbei: „da sitz ich zur Siesta / im schattigen Garten / träume und verschwende / meine Gedanken an dich / die Kinder stürmen hinaus / der Bauer holt eilig / die Heuernte ein / der Nordwind wird Regen bringen“ (S. 8)
So ist die Welt Anno Domini MM!