Wem Gott schickt ein Morak-Häschen, dem schickt er auch ein Ruiss-Gräschen könnte man kalauern, und das Kalauern ist bereits eine bevorzugte Methode des Autors, den sinnlos-frechen Sprüchen der Regierung etwas Pervers-Fesches entgegenzusetzen.
Im ersten Teil gibt es alphabetisch geordnet von „Abschlüsse“ bis „zwischen allen Zeiten“ Gedichte, die teilweise eins zu eins einer Presseaussendung entnommen, einer Zeitung entwendet oder gar dem Mund eines Funktionärs abgeschaut und in eine grobschlächtige Gedichtform gegossen worden sind. Manche dieser Texte erinnern dadurch, daß sie als Gebrauchstexte verwendet werden, an Gedichte Erich Frieds zum Vietnamkrieg; und Ruiss‘ Texte bewähren sich offensichtlich gegen das österreichische Vietnam, das sich unterirdisch angeloben läßt.
„verwandlungskünstler // ist das nicht / der herr mit dem mascherl / mit der roten krawatte / mit dem blauen schal / mit der roten aktentasche / mit dem offenen hemd / mit der sich / abzeichnenden unterhose / nicht wiederzuerkennen / ohne.“ (S. 64)
Im Westen wird hinter den Lärmschutzmauern des Transits das Gedicht „die wände hoch“ bereits als Hymne verwendet. (Es kraxelt der krawall am lärmschutzwall. S. 20)
Nach dem Motto „Zeit für ein Gedicht“ nimmt sich Gerhard Ruiss oft auch zu den scheinbar kleinsten tagespolitischen Anlässen die Zeit, ein sorgfältiges Gedicht für die Dauer zu verfassen, denn oft bleibt die ernste Überhöhung eines nichtigen Anlasses die einzig mögliche Form der Antwort, die nicht sofort eingeklagt wird.
Im zweiten Teil sind „zirka vierundsechzig Dialektgedichte“ alphabetisch versammelt, den einzelnen Gedichten sind jeweils Erklärungen der Mundart-Begriffe sowie des notwendigen Kontextes beigefügt. Diese Gedichte sind in ihrer intim-launigen Mundart besonders genaue Dokumente zur Sprache der jeweiligen Protagonisten.
Bemerkenswert ist der gekonnte Umgang mit dem Tod, der nach guter Wiener Schule von der Literatur umarmt wird, ehe er die Literaten zusammenräumt. „c’est la vie // waunn i / net leb / daunn bin i / hi.“ (S. 94)
Im dritten Teil gibt es „fünfzehn oder neunzehn Skizzen“, wobei schon die Art der Zählung auf das absolut Vorläufige hinweist. In diesen Skizzen werden politische Fehltritte oder Ausritte so aufbereitet, daß man sie in Zukunft staatstragend nachspielen kann. Etwa wenn die Außenministerin eine Torte anschneidet, die unter dem Messer gequält aufjault und dabei mit Österreich verglichen wird. Mit dem entsprechenden Material von Gerhard Ruiss läßt sich diese Szene in Zukunft überall auf der Welt gültig nachspielen.
Gerhard Ruiss verwendet seine Gedichte durchaus wie ein Besteck, das eine Aufgabe zu erfüllen hat. Daß das Besteck auch noch sinnlich und ästhetisch ansprechend ausgefallen ist, soll dem Leser nur recht sein.