Dabei spannt er einen Bogen von der Natur und den Menschen, in den Alpen ebenso wie in Irland, über das Altern, das „Ausschleichen“ einer Freundschaft aufgrund einer „Kränkung“ wie von einem “ Medikament / von dem man / abhängig war.“ (S. 62) bis hin zu Sport, Gesellschaft und Schule. Um sich abschließend der Liebe zuzuwenden. Letztere reflektiert er, häufig in sentimentaler Rückerinnerung an und Sehnsucht nach entschwundener jugendlicher Leichtigkeit, am nachhaltigsten jedoch, wenn er die gereifte Liebe zur Sprache bringt: „und ich erschaudere darüber / wie gütig du mir bist / wenn du meinem Begehren / Arm und Brust öffnest“ (S. 122).
Den Fokus legt Reutterer bevorzugt auf Nuancierung und die Betonung der Zwischentöne, etwa „den Unterschied zwischen einer Rose / und einer Rose.“ (S. 88) Auch die Vergeblichkeit des Auflehnens gegen die Sterblichkeit und den Tod schwingt des Öfteren in seinen Zeilen mit.
Seine Sprache ist durchgängig lakonisch, dabei sensibel und fallweise (auch larviert) pointiert. Manche Aussagen entfalten sich erst allmählich, ähnlich der Rose auf dem Umschlag (Foto: Erich Perhab) – vor allem wenn er das vermeintlich Beiläufige in den Mittelpunkt rückt. Die Erkenntnis, dass (und weshalb) ausgerechnet dieses das Wesentliche ist, manifestiert sich auf den ersten Blick mitunter nur als Ahnung, erfordert das Innehalten und Verweilen vor den Zeilen, bis es den eigenen Gedanken ergeht wie den Raben in „Die Herbstvögel“: „spät im Jahr / werden sie / fündig.“ (S. 13)
Trotz aufblitzender (Selbst-)Ironie ist die größte Stärke dieser Sammlung von „Gedichten mit Geschichten“ oder, wie der alternative (und etwas sperrige) Untertitel lautet, „lyrischen als auch prosaischen Textgebilden“ die schonungslos-ehrliche (Selbst-)Hinterfragung, ja die Authentizität und Ratlosigkeit, die Reutterers lyrisches Ich wiederholt und im besten Sinn des Wortes selbstbewusst an den Tag legt – und die durchaus imstande ist, durch Mark und Bein der Seele zu gehen. So etwa, wenn er in „Attersee Memorial (für Hans Eichhorn)“ zur Erkenntnis gelangt: „und weiß nicht genau / was wir meinen / wenn wir schön sagen // vor den Augen des Todes.“ (S. 15) Oder in „Konjunktiv“ zunächst lapidar feststellt: „Die Wirklichkeit / ist unbeliebt“ (S. 93).
Langsame Einkehr ist ein überwiegend leises, ein ruhiges Buch, unterbrochen von gelegentlicher vordergründig-spitzer Kritik an der mittlerweile beinah sämtliche Lebensbereiche umfassenden Konsum- und Leistungsgesellschaft. Durchwoben von einer melancholischen Grundstimmung, vermittelt es den Trost, inmitten einer Welt des Vergänglichen mit seiner eigenen Vergänglichkeit nicht alleine zu sein. Ein kraftvolles Aufbäumen am Schluss wäre nur auf den ersten Blick und bloß scheinbar versöhnlicher gewesen: „Finale Skepsis“ (S. 58) bestätigt sich letzten Endes ohne Ausnahme als vorhersehbarer, nicht zu umgehender Trugschluss.
Bis dahin aber: „Es kommen härtere Tage“ (S. 89) und: „davonkommen will man / an der Hand / des einen / oder des anderen.“ (S. 50)
Dafür – auch dafür – ist dieses Buch ein guter, um nicht zu sagen zeitloser Begleiter.