Alles beginnt in gut gelaunter Stimmung an einem lauen Sommerabend. Die schicke Wohnung der Gastgeberin liegt mitten in der Stadt (Wien), der Tisch ist gedeckt, das Essen vorbereitet, die Gastgeberin voll „Großzügigkeit und Lässigkeit“ (8), im Hintergrund läuft „Jazz für Jazzliebhaber mit wenig Ahnung und viel Geschmack“ (9). Alles in allem werden wir auf einen feinen Abend vorbereitet, wäre da nicht dieser ironische Unterton, mit dem die Must-haves einer Gesellschaftsschicht aufgezählt werden, die man vor nicht allzu langer Zeit noch Bobos nannte: der Crémant, die finnischen Gläser, die vom Algorithmus gesteuerte Playlist, das Küchenmesser im Edelstahlbehälter, die elegante, aber ironisch gesetzte Kleidung.
Zum Quiche-Boden gesellen sich Zwiebel, Porree und Speck. Die Zutaten des Abends teilen die Handlung in Kapitel. Überraschenderweise bietet uns die Autorin eine leicht verschobene Variante der Eröffnung an, die nicht mehr ganz so rund läuft wie die erste: Diesmal kommen die Gäste zu spät, treten mit nassen Schuhen auf den neuen Holzboden, Kerzenwachs tropft auf den teuren dänischen Esstisch. Dabei wird verhandelt, welche Zeitungen man liest (Guardian, New York Times), wo man die besten Drinks der Stadt bekommt und dass es an der Uni keine Utopien mehr gebe. Die Autorin lässt in ihrer akkuraten Beschreibung nichts aus: nicht die Socken des Schweizers auf denen Sport geschrieben steht, nicht das goldene Handkettchen des Ehemanns und das teure Geschirrtuch aus Kopenhagen. Jedes Detail ist eine Aussage, denn: „An den Gegenständen haftete der Selbstentwurf.“ (194)
Vergnügt schlägt uns die Autorin, die immer auch ein starkes Gespür für das Bildhafte hat, sogar eine dritte Variante der Eröffnung vor, bei der alle Gäste viel zu spät, satt und angetrunken auftauchen. Die Gastgeberin und ihr Partner wollten sich angesichts des freien Abends beinahe schon sinnestrunken vergessen. Aber nein, auch die dritte Variante dreht sich um Handtaschen von Vivienne Westwood und Salzbehälter aus Büffelhorn. Die Playlist begleitet nahezu selbständig die Stimmungen des Abends, im entscheidenden Augenblick heißt es Hold your man oder I Used To Be Color Blind. Die Gastgeberin widmet sich abwechselnd der ausgeklügelten Komposition ihres Salats, den Gästen und ihren Gedanken. Wie anders alles in ihrer Jugend gewesen war, als sie weder über Möbel noch Geschirr verfügte, aber über Neugierde auf das Leben. Zum Glück hat sie den gesellschaftlichen Aufstieg und die finanzielle Absicherung geschafft. Probleme von armutsgefährdeten Mitmenschen kommen nicht zur Sprache. Zu lässig ist der Ton des Abends, der höchstens Unsicherheiten über Authentizität, Onlineprofile und Geschlechterrollen zulässt.
Kochen im falschen Jahrhundert ist eine humorvolle Satire, und (da sich die Zeit und die Moden so schnell ändern) ein punktgenauer Einblick in eine Gesellschaft, die von der Überfütterung mit digital verbreiteten Normen geplagt wird. „Was ist Kultur?“, wird mehrmals im Lauf des Romans besorgt gefragt. Teresa Präauer antwortet gewandt und scharfsinnig mit der akribischen Aufzählung von gelebten Wertvorstellungen einer kleinen elitären Runde. Dabei wäre der Wunsch der Gastgeberin gewesen, ein „offenes Haus“ zu führen – keineswegs „elitistisch“. Das leicht chaotische Ende des gestylten Abends mit amerikanischen Überraschungsgästen verspricht, dass sie dieses Ziel nicht aus den Augen lassen wird. Denn bei all dem prickelnden Charme, der aus dem Roman herüberweht, vergisst Teresa Präauer nicht auf die Komplexität der Fragestellung: „Was ist Kultur?