Ihre Gedichte erstellte sie ebenfalls im Sinne einer zeitgemäßen Poetik: 1976 berichtet Kurt Klinger merklich geschockt in Kindlers Literaturgeschichte der Gegenwart: „Heidi Pataki (vollzieht) kaltblütig einen radikalen Schnitt und erklärt: ‚Wer selbst noch Verse erfindet, ist anachronistisch.‘ Das heutige Gedicht sei eine Montage bereits bereitgestellter ‚Gebrauchswerte‘ von Gefühlen. Eine so überspitzte Theorie kann nur aufkommen, wenn ihr hektische, aufstachelnde Gefühlsmanipulationen vorausgegangen sind.“
Was immer Klinger mit diesen „Gefühlsmanipulationen“ andeuten will, Pataki setzt noch immer auf das Montageprinzip, das wird in dem soeben erschienenen Band mit Gedichten aus dreißig Jahren deutlich. Werbeslogans und Goethezitate, Alltagssinnsprüche neben Baudelaire-Remake: Die melancholische Stimmung des gleichlautenden Baudelaire-Gedichts „A une passante“ aus den „Tableaux parisiens“ (in: „Les Fleurs du Mal“, 1861) überträgt Pataki recht treffend ins Wien der Gegenwart. Versatzstücke – kursiv gedruckt – zitiert sie aus dem französischen Vorbild, in eigenwilliger Übersetzung: Aus „Ailleurs, bien loin d’ici! trop tard! jamais peut-être!“ (Woanders, weit von hier! zu spät! niemals vielleicht?), der Klage um das Verschwinden der Schönen und der Sorge, sie womöglich nie wieder zu sehen, wird weibliche Klage um die mit der Prostitution verstrickten Frauen, wird die Aufforderung zur Flucht: „weit fort von hier! zu spät! und nimmermehr!“
Dieser Vergleich zeigt, wie Pataki mit Vorlagen, dem Montagematerial, verfährt: Sie übernimmt, was sie brauchen kann, und formt um, was ihrem Ansinnen entgegensteht. So haben die Texte neben ihrer Aussage noch eine zweite Ebene: sie führen einen Diskurs mit den Quellen.
Abgesehen vom Thema der weiblichen Emanzipation zeigen die vorliegenden Gedichte auch Spaß am facettenreichen Wortspiel. „mördergrube“ wäre hier ein Beispiel; im Titel die Anspielung auf das Sprichwort „aus dem Herzen keine Mördergrube machen“, wird dieses vom Folgenden natürlich konterkariert: „ein blutbad ist die liebe, und sei’s der duft / von lilien; ein knirschgarten, so weiß erblüht / im schwanz des winters, also jetzt im märz“.
Oder in „windwurzen“: „wir reisen meist in keiner weise / wie meisen ziehn in keiner reise / wir weisen reihn in keiner zeile […]“.
In „wien, zärtlich“ wird deutlich, daß hinter der österreichischen Verniedlichung nichts anderes als verdrängte (ertränkte) Brutalität lauert: „das schlagstockerl / das lenkwafferl / das bomberl / das kaffeeklatscherl // das stacheldrahtlerl / das betonbunkerl / das hakenkreuzerl / das knöderl //“ usw
So gibt die vorliegende Publikation einen facettenreichen Einblick in das lyrische Schaffen einer Autorin, deren sehr zeitgeist-orientierter Einstieg dennoch auch erstaunlich bleibende Aspekte folgen ließ.