So entsteht ein ganzheitliches Bild von Ereignissen, die man nicht ausschließlich auf ein Attentat in Sarajevo reduzieren kann: das Lebensgefühl der Wiener Bevölkerung wird rekonstruiert und für den Leser nachfühlbar; papierene historische Daten erhalten in Kombination mit der zum Tag gehörigen Wetterlage und kleinen, scheinbar marginalen Alltäglichkeiten aus der Tagespresse eine ungeheure Authentizität und Lebendigkeit.
Morton sieht den Ausbruch des Ersten Weltkrieges nicht als singuläres Ereignis; die historischen Entwicklungen bis zu 50 Jahre danach werden als eine direkte Folge der komplexen Zusammenhänge bis zu 20 Jahre davor gesehen. Parallel führt er die Rivalitäten Freuds mit C. G. Jung zu den Auseinandersetzungen des Thronfolgers Franz Ferdinand mit der Politik Hötzendorfs und dem Hofzeremoniell, dazu parallel die Lebensgeschichten Hitlers, Trotzkys, Stalins, Lenins und Titos, die in dieser Zeit alle mit der Monarchie oder gar Wien in Verbindung stehen. Die Frage, ob der erste Weltkrieg zu verhindern gewesen wäre, muß verneint werden; lediglich der Zeitpunkt oder die Form des Ausbruchs hätten, folgt man Mortons Rekonstruktion der allgemeinen Stimmung, anders verlaufen können.
Frederic Mortons sogenannter Roman ist aufgrund seiner Komplexität lehrreicher als manches Geschichtsbuch, spannender ist er auf jeden Fall.