Als Manfred Maurer 1998 starb, waren alle seine Werke vergriffen, wie Katharina Riese im Nachwort zum Nachlaßband Die Touristenfarm schreibt. Selbst rasante, publikumswirksame Bücher können im Zeitalter der Speedy-Belletristik nicht immer bestehen, läßt sich daraus ableiten.
Der sorgfältig edierte kleine Nachlaßband enthält die irrwitzig-gute Titelerzählung Die Touristenfarm sowie zwölf kleinere Arbeiten aus verschiedenen Arbeitsperioden, die noch einmal in voller Eleganz die Erzählweise Manfred Maurers aufblitzen lassen.
In der Haupterzählung Die Touristenfarm durchquert ein österreichisches Ferienpaar Irland, um das Land der Trinker, Tänzer und Widerstandskämpfer in vollen Klischeezügen zu genießen. Ein kleiner Autounfall freilich stoppt diese romantische Erlebnisfahrt, als „Falke“ im Sinne der Novellentheorie dient eine Klomuschel, die in einer entlegenen Gegend den stockenden Tourismus wieder in Gang bringen soll. Für die irischen Auftraggeber des heiklen Transports ist klar, daß so etwas nur Österreicher machen können. Nach dem Unfall will von der Klomuschel niemand etwas wissen, die Erzähler sitzen noch eine Weile darauf, und abrupt gehen die schönen Bilder von Irland in den knallharten Alltag über. Die Touristenfarm stellt sich als Sekundärwelt heraus, die letztlich nicht einmal als Filmkulisse taugt.
Die zwölf kleineren Erzählungen haben fast alle ein Drehbuch zum Leben als Thema. Die Helden haben von der Leinwand genug und steigen versuchsweise in den Alltag des Publikums hinab und umgekehrt. Durch diesen Kunstgriff wird mit einem Schwenk aus der österreichischen Provinz Hollywood, Statisten werden zu Helden und Zuschauer ergreifen die Rollen von Stars.
„Wenn ich Charles Bukowski wär“ erzählt von einem solchen Rollentausch, bei dem sich der Erzähler den Habitus und lyrischen Gestus des großen Literatur-Stars aneignet, dann aber beinahe in jedem Absatz wieder aus der Imagination herausgeworfen wird und sich stets in der gewöhnlichsten Alltagsrealität wiederfindet. Vielleicht aber, so hofft er, ist er für einige Augenblick doch Bukowski gewesen.
In der Erzählung „Steyr, Mischgehirn“ wird die Geburtsstadt des Autors zu einem siedenden Pot, in dem gerade Gedanken, Kräuter, Drogen und allgemeine Lebensweisheiten des kleinstädtischen Milieus zu einem „Mischgehirn“ aufgekocht werden.
„Inventur“ heißt eine berührende Geschichte, die der Frage nachgeht, „was vom Vater blieb“. Mit wenigen Intarsien, wie etwa dem Militär-Entlassungsschein, versucht der Autor, ein Bild oder zumindest Ornament vom Vater auszulegen. Einige Sätze der Angehörigen werden den Erinnerungsstücken hinzugefügt, und es gibt keine Gewißheit, daß diese Zitate zur Aufhellung des Vaterbildes beitragen. Manchmal scheint es, als sollte das Bild vom Vater verdüstert oder überhaupt ausgelöscht bleiben.
Die Touristenfarm ist ein kompaktes Erinnerungsbuch an Manfred Maurer, das die Leserschaft und das Verlagswesen hoffentlich so lange wachrüttelt, bis das Gesamtwerk Manfred Maurers wieder zugänglich sein wird.