#Roman

Die Verweigerung der Wehmut

Florjan Lipus

// Rezension von Klaus Kastberger

Einen Abgesang auf die slowenische Dorfkultur in Kärnten legt Florjan Lipus mit diesem (im slowenischen Original 1985 erschienenen) Roman vor.
Im Mittelpunkt steht ein „Reisender“ (an anderer Stelle: der „Unbekannte“ und auch der „Heimkehrer“ genannt), der in die Stadt übersiedelt ist und anläßlich des Begräbnisses seines Vaters ins Dorf zurückkehrt. Dort findet dann eine der skurrilsten und seltsamsten Totenzeremonien statt, von der in Literatur jemals berichtet wurde: Während sich die Trauergemeinde an Tee und den wohlriechenden Pogaca labt, sammeln sich unter dem aufgebahrten Greis Schaben an und machen sich über den Leichnam und auch über das Essen her. Von den Männer werden einige vorwitzige Tierchen beiläufig auf dem Boden zerdrückt, von oben nähert sich da schon eine Spinne an, die die Brutstätte ihrer Nachkommen unter den Lippen des Toten anzulegen sucht.

Daß der Kampf gegen die Verwesung und den Verfall ohnehin aussichtlos sei, ist die feste Einsicht, von der aus die Dorfgemeinschaft agiert; der Tod und das Sterben bleibt in deren Mitte integriert. Für den Besucher läßt sich dieses Selbstverständis kaum nachvollziehen, ihm erscheint mit der Zeremonie auch der tote Vater als eine fremde Erscheinung, als ein Relikt aus einer anderen und vergangenen Welt.

Im letzten Teil des Buches sucht der „Heimkehrer“ (der in Wahrheit ein „Abschiednehmer“ ist) den eigentlichen Ort seiner Kindheit auf, den elterlichen Hof, der – umgeben von Steilhängen – an schwer zugänglicher Stelle liegt. Erinnerungen an die harte Kindes- und Jugendzeit werden wach, die Landschaft hat das Anwesen zurückerobert, in der Umgebung finden sich nur mehr Spuren der altbekannten Topographie.

Gegen Ende des Buches kommt die Hauptfigur auf einem dieser Schutthügel zu stehen; eine beinahe idyllische (und schrecklich-schöne) Stimmung kommt auf, in die sich das Gefühl des endgültigen und unwiderruflichen Verlustes mengt. Mit dieser Gewißheit entläßt Florjan Lipus dann auch seinen Leser: Bei der „Verweigerung der Wehmut“ handelt es sich um einen letzten authentische Blick. Wer wissen möchte, was das slowenische Dorf in Kärnten gewesen ist, wird um dieses höchst empfehlenswerte Buch nicht herumkommen.

Florjan Lipus Die Verweigerung der Wehmut
Roman.
Aus dem Slowenischen von Fabjan Hafner.
Klagenfurt: Wieser, 1997.
126 S.; geb.
ISBN 3-85129-198-0.

Rezension vom 23.02.1998

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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