#Lyrik
#Prosa

intakte mütter

Petra Lehmkuhl, Nikolaus Scheibner, Philip Scheiner

// Rezension von Sabine E. Selzer

Die Wiener „Edition Exil“ ist bekannt für interkulturelle Projekte und Publikationen, Autoren aus aller Welt und Themen, die sich meist auf Flüchtlings- und Exilerfahrungen beziehen. Das ist schon viel. Aber noch nicht alles.
Denn da gibt es dann auch noch die „kleine reihe lesen“, die talentierten jungen Autoren und Autorinnen die Möglichkeit bietet, ihre Texte zu publizieren – ohne thematische Festlegung.

In dem grellorangen Bändchen intakte mütter präsentieren unter dem Motto „orange ist fast so grün wie violett. super“ die Berlinerin Petra Lehmkuhl und die beiden Wiener Nikolaus Scheibner und Philip Scheiner ihre neuesten Gedichte und kurzen Erzählungen. Alle drei sehr jung – 1975/76/77 geboren – haben sie aber schon einige Erfolge bei diversen Wettbewerben zu verbuchen.

Und eines haben ihre Texte alle gemeinsam: sie sind jung, frech und originell, teilweise recht desillusioniert bzw. desillusionierend und bissig, aber nie humorlos – ein durchaus modernes Lesevergnügen. Und alle drei sind auch AutorInnen der „interkulturellen schreibwerkstatt“ des „vereins exil“ im Amerlinghaus in Wien.

Petra Lehmkuhls Kurztexte wirken meist wie trockene Randbemerkungen, ein wenig giftig, ein wenig pfiffig, ein bißchen traurig, ein bißchen fröhlich, und fast alle drehen sie sich um das Thema, das die Menschheit wohl immer beschäftigt hat und immer beschäftigen wird: Mann und Frau, Liebe, Beziehungskiste. Das alles aber mit in Frage gestellten Rollenbildern und einem lauten Nachdenken über die Stelllung der Frau; und mit einem allgegenwartigen Schmunzeln zwischen den Zeilen.

Nikolaus Scheibners Gedichte hingegen wirken zum Teil der Tradition von Jandls Experimentalgedichten verpflichtet, er zelebriert das Wortspiel bis zum Nonsens, auch spielt er gerne mit der optischen Form der Texte, läßt Sprache zum Bild werden und setzt Form und Inhalt in dynamische Wechselbeziehung. Und der Stil seiner Erzählungen wirkt wie eine recht gelungene Mischung zwischen expressionistischer Prosa und Elfriede Jelinek.

Philip Scheiner schließlich, der jüngste der drei AutorInnen, der bereits beim Poetry Slam 1999 im Wiener Café Stein positiv auffiel, huldigt dem Sarkasmus und hat für den Leser manch überraschende Wendung parat. Seine Gedichte changieren von Ernst bis Blödelton, und in Kurzprosa scheint er noch mehr zu Hause zu sein als in der Lyrik und beweist in so manch bloß angedeutetem Detail seine Beobachtungsgabe.

Obwohl alle diese Texte in dem Band intakte mütter recht gut miteinander harmonieren, hat doch bereits jedeR der drei AutorInnen seinen/ihren eigenständigen persönlichen Stil gefunden. Das kleine leuchtend orange Bändchen ist eine erfrischende Neuerscheinung am Buchmarkt und verspricht vergnügliches Lesen. Weiter so!

Petra Lehmkuhl, Nikolaus Scheibner, Philip Scheiner intakte mütter
Hg.: Christa Stippinger.
Lyrik und Kurzprosa.
Wien: Edition Exil, 1999.
96 S.; brosch.
ISBN 3-901899-02-2.

Rezension vom 29.05.2000

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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