#Lyrik

Des Wetta wiad betta

Wolfgang Kühn

// Rezension von Markus Köhle

Wolfgang Kühn hat viele Seiten, sein neues Buch 104. Der Langenloiser und Teilzeitwiener heißt im Poetry Slam Kontext „KYN“, ist in musikalischen Gefilden ein Drittel von „Zur Wachauerin“, literaturorganisatorisch betrachtet 33,3% vom ULNOE Krems (Unabhängiges Literaturhaus Niederösterreich) und publikationstechnisch ein Gutteil von DUM (Das Ultimative Magazin) und der Edition Aramo. So. Außerdem ist er – um es mit Thomas Kapielski zu sagen – ein feiner Mensch. Aber das tut hier nichts zur Sache.

Die Sache, das verrät Titel und Verlagsinfo, ist Mundartpoesie und zwar 54 Mal. Wer Wolfgang Kühn schon einmal gehört, aber nicht verstanden hat, der hat nun die Möglichkeit, nachzulesen was er nicht verstanden hat und versteht vielleicht dann. Wer hingegen des Wachauerischen mächtig und auch der Dialektverschriftlichung nicht abhold ist, dem stehen ersprießliche Lektürelektionen ins Hirnhaus. Zum Beispiel die unter jede Hornhaut gehende „Waldviertler Liebeserklärung“ (S. 32):

Du bist des Fettaug‘ in meiner Suppp’n
am Wäschelein’l bist du de Klupp’n!
Du bist wia a Schnee im September
und a Sunnbraund im November!
Du bist mei Unkraut im Goart’n,
di zum Zupf’n kaun i net dawoarten!
Du bist des Loch va mein Sock’n
und der Klaung va da Glock’n!
Du bist vam Er’pfe de Schoi’n,
du bist mit nix zum dazoih’n!
Du bist der Gummi va meine Stiefe‘,
du bist des Scherzl, an dem i kiefe‘!
Du bist va mein Steirer der Diesel
und im Bachbett der Kiesel!
Du bist va da Jausn des Sackl,
du bist im Kreiz des Hackl!

Owa ohne di war ollas aus,
du bist und bleibst mei Lagerhaus!

Bleiben noch 53 schwer zu kategorisierende, aber leicht verdauliche Texte. Da wird das Waldviertel sprachlich abgeklopft und siehe da, es purzeln zahlreiche originelle Ortsnamentexte aus dem Sprachunterholz.

Da wird in amerikanischer Intonation wachaugebluest („i lost my herart in der wachau / wieso – das weiß ich nicht genau“).
Da werden post-Wein-Befindlichkeiten durchdekliniert („a Gladeoin haum“) und alphabetische Weinherbstbilanz gezogen („xund xsoff’n“).
Da werden rhythmisch konkrete Hasen gejagt („Auf ana Hos’njogd / hot a Jaga g’sogt, / ramts de Bama weg / weu i siech an Dreck!“) und die vier Himmelsrichtungen am Land praktisch erklärt („obn, unt, drin, drausst“).
Da werden Heurigenspeisen systematisch verfremdet, auf dass sie überzeugend slawisch klingen („schwerzwarzilselet“) und in der „Ballad Blad“ wird kühn das Essenswortfeld erweitert („er zwiebelringt nach luft“).
Und auch klassische Mundarttextformen wie Gstanzeln kommen nicht zu kurz („wer vü frogt geht oft iar, zwa und zwa is oft vier“).

Ein Riesenspaß, keine Frage. Nein, stopp, doch eine Frage. Was bitteschön ist ein „Haudidl“?

Wolfgang Kühn Des Wetta wiad betta
Mundartpoesie.
Wien, Klosterneuburg: Edition va bene, 2006.
104 S.; geb.
ISBN 3-85167-192-9 .

Rezension vom 05.12.2006

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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