#Roman
#Debüt

Polt muß weinen

Alfred Komarek

// Rezension von Karin Cerny

Jeder in dem kleinen Weinbauerndorf hätte ein Mordmotiv. Den Albert Hahn mochte nämlich keiner. Ein Immobilienspekulant der übelsten Sorte war er. Einer, der seine abwegige Freude daran hatte, das ohnehin labile Dorfgleichgewicht aus den Angeln zu heben; einer, der es genoß, Menschen zu quälen, die von ihm abhängig waren. Als er eines Tages tot in seinem Weinkeller aufgefunden wird, vergießt keiner eine Träne um ihn. Im Gegenteil, das ganze Dorf atmet auf.

Alles deutet auf einen Unfall hin: Gärgas. Und dabei soll es auch bleiben, die näheren Umstände will niemand so genau wissen, obwohl es allerorten in der Luft liegt, daß da jemand nachgeholfen hat. Allein der Gendarmerie-Inspektor Simon Polt bleibt beharrlich, ohne selbst so genau zu wissen warum. Wohl so eine Art Berufsethos. Und das, obwohl seine Ermittlungen Spannung und Unfrieden bringen, unter denen der gemütliche Gendarm selbst am meisten zu leiden hat. Polt, der die geselligen Abende in den Weinkellern, das verschlafene Dorfleben und auf sehr schüchterne Art die Lehrerin Karin liebt, findet sich auf einmal unerwartet an den Rand der dörflichen Gemeinschaft gedrängt. Er muß gegen jene Leute ermitteln, die ihm am nächsten stehen. Pflichtgefühl und Solidarität zur Dorfgemeinschaft werden nun auf eine harte Probe gestellt.

Alfred Komareks erster Krimi ist ein Schuß ins Schwarze. Mit Simon Polt, dem gutmütigen, aber beharrlichen Gendarmerie-Inspektor, betritt ein Krimiheld die Bühne, von dem man sich wünscht, daß er mit seiner stillen, schüchternen und schlichten Art noch viele Fälle zu lösen haben wird. Polt ist ein sympathischer Antiheld, tief verwurzelt im Alltag des kleinen, an der tschechischen Grenze gelegenen Weinbauerndorfes. Er ist nicht nur überaus empfänglich für die sinnlichen Reize dieser kargen Gegend, sondern genießt seine Abende in den Weinkellern und Wirtshäusern so sehr, daß er über den einen oder anderen guten Tropfen gelegentlich auch ins Philosophieren kommt.

Komarek hat zudem eine Krimi-Nische gefunden, in der er sein profundes Wissen als Reisepublizist einfließen lassen kann. Polt muß weinen ist ein gut recherchierter Krimi, Komarek ein Kenner der Weingegend des nördlichen Niederösterreich. Er weiß um die Probleme der Grenzbezirke, die Arbeitslosigkeit, das Abwandern der Jungen in die Stadt, die alten, wieder aufgewärmten Animositäten gegen die tschechischen Nachbarn. Und er hat ein Auge für die Schönheiten der Landschaft, den wechselnden Rhythmus der Jahreszeiten und die „Highlights“ des Lebens auf dem Lande, für das Pfarrfest und die Disco-Schlägerei.

So spricht Komareks kriminalistische Milieustudie wohl nicht nur Krimifreunde an, sondern läßt Wald- und Weinviertelliebhaber als auch Wein-Gourmets auf ihre Rechnung kommen. Wäre Polt muß weinen ein Wein, müßte man sagen: ein ausgezeichneter Jahrgang.

Alfred Komarek Polt muß weinen
Kriminalroman.
Innsbruck: Haymon, 1998.
191 S.; geb.
ISBN 3-85218-275-1.

Rezension vom 23.09.1998

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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