#Prosa

Manker

Werner Kofler

// Rezension von Klaus Kastberger

Das Buch sollte ursprünglich „Karfreitagsmord“ heißen; es heißt aber jetzt Manker. Schuld daran ist der Verlag oder besser gesagt der Grafiker des Verlages, weil sich mit dem Wort KARFREITAGSMORD jenes Spielchen, das sich auf dem Cover von Manker mit dem Wort MANKER treiben ließ, eben nicht hätte treiben lassen. Das Buch heißt also Manker (eigentlich: Manker. Invention) und das ist gut so.

Werner Kofler ist an Manker über den Umweg des ORF geraten. Vor zwei Jahren legte der Autor den kleinen Prosatext „Furcht und Unruhe“ vor; darin schildert er eine gewaltsame Szene mit realem Hintergrund. Der stehengelassene Ehemann der Geliebten des Autors verschafft sich des Nachts Zutritt zu dessen Wohnung; der Schriftsteller protokolliert den Gewaltakt in einem dichten Stenogramm. Dieser Text, „Furcht und Unruhe“ eben, wurde vom ORF zu einem Hörspiel umgearbeitet und Paulus Manker als Sprecher verpflichtet. Die Grundsituation des Prosatextes Manker ist eine sehr einfache: Der Schriftsteller sitzt zu Hause am Schreibtisch, wohnt der im Radio gesendeten Vertonung bei und findet das Ganze – schlicht gesagt – fürchterlich.

Manker ist aber keine Hörspiel-Kritik. Manker ist – wenn überhaupt – eine Kritik an Manker; Manker ist die Person, gegen die der Sprechduktus gerichtet ist. Jeder Stimmeinsatz des Schauspielers (Wer IST da, Manker, kein blasiertes: Wer ist DA!) wird seziert und korrigiert. Einen Regisseur wie Kofler, der andauernd dazwischenfunkt und dabei fast immer recht behält, würde kein Schauspieler und auch nicht Manker überstehen.

Allzu wichtig sollte man die Person des Manker dann aber doch nicht nehmen, innerhalb des Textes fungiert sie als Hebel zur Wirklichkeit; mit der Nennung des Eigennamens werden die realen Verhältnisse an einem letztlich unbedeutenden, aber leicht greifbaren Zipfel gefaßt. Nicht um die Person Manker und deren Eitelkeit ist es Kofler zu tun (obwohl der echte Manker schon angekündigt hat, das Buch Manker all seinen Freunden und Feinden schenken zu wollen); es geht um die Rollenbilder, die diese Person verkörpert: Manker als Sprecher des Hörstückes; Manker als Schauspieler, der seine Rollen nicht mehr ablegen kann; Manker als einer, der der Zeitschrift „News“ ein Interview gibt und darin Sigrid Löffler denunziert.

Bilanz über den Tabubruch, den Kofler mit der Nennung von Namen begeht, wäre erst auf der nächsten Ebene zu ziehen; dort, wo der Name mit dem gegenwärtig Bestehenden und dieses seinerseits mit dem Vergangenen verrechnet wird. Auch diese Ebene der Koflerschen Gesellschaftsanalyse, surreal-absurd an der Oberfläche und treffsicher im Detail, findet man in Manker: Vom Schnüren von Sparpaketen ist ebenso die Rede wie von der Villacher „Grinsgesellschaft“ (wie überhaupt Villach die eigentliche Hauptfigur des Textes ist), das „Hirngespinst“ Wiener Gruppe geht um wie die „violetten Eier“ einiger bekannter Schlager- und Fernsehgrößen; hinter dem Tanzcafé Lerch (welches – dem Vernehmen nach – jedem Kärntner ein Begriff ist) tut sich das Tanzcafé Treblinka auf, der ewige Kapellmeister der Koflerschen Texte, Odilo Globocnik, treibt im Hintergrund von Manker sein Unwesen.

Kofler stellt diese Wirklichkeistbrocken der modernen und der vergangenen Welt unterschiedslos in den Text, Valorisierung findet nicht statt. Die Dinge bleiben, was sie sind, nämlich profan; und diese Profanität wird letztlich auch den Erlöserfiguren zum Verhängnis. Manker fügt sich hier nahtlos in die bestehenden Heldengalerie ein: Nitsch, Heller, Haider (und zwar beide) – und jetzt eben auch er.

Weil die Erlöserfiguren selbst jene Profanität verkörpern, die der Verwirklichung ihrer Träume aus Kunst und – noch viel schlimmer – aus Politik entgegensteht, findet bei Kofler die wahre Enderlösung folgerichtig nicht durch die Erlöser, sondern von den Erlösern statt, so wie dies wortwörtlich im Motto von Manker geschrieben steht: „Mir träumte von einem Zauberkünstler, dessen Kunststück darin bestand, sich selbst zu verspeisen.“

Werner Kofler Manker
Invention.
Wien, München: Deuticke, 1999.
92. S.; geb.
ISBN 3-216-30434-5.

Rezension vom 08.03.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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