Das sprachliche Mittel, zu dem in solch aussichtslosen Fällen gerne gegriffen wird, ist der Konjunktiv: Wäre dem Autor das Robert-Musil-Stipendium zuerkannt worden, er hätte eine Denkschrift mit dem Titel „Meister der üblen Nachrede“ schreiben können. In Relation zum wahrhaft umfassende Anspruch der intendierten Denkschrift, nämlich „allen“ und völlig „wahllos“ die Ehre abzuschneiden, stellt das konjunktivisch realisierte Rumpfprojekt nur mehr einen schwachen Abklatsch dar. Die gut zwei Dutzend Politiker, Kulturfunktionäre und Schriftstellerkollegen, die hier bedacht werden, fallen angesichts der Summe der Unterlassungen kaum noch ins Gewicht.
Die Rhetorik des An- und Übergriffs, die in „Üble Nachrede“ in voller Blüte steht, gerät bei Werner Kofler zum literarischen Programm: Jene Wirklichkeit, von der der Autor tagtäglich traktiert wird, muß literarisch umso rücksichtsloser zurücktraktiert werden. Dieses gegenseitige Verrechnen von Wirklichkeit und Kunst hat Kofler in der Serie seiner jüngeren Prosaarbeiten zu fortschreitend direkteren Formen umgesetzt.
Daß sich die Schraube aus Gewalt und literarischer Gegenwehr auch abseits jener sozialen Biotope zu drehen vermag, die man in ihrer Gesamtheit den Literaturbetrieb nennt, zeigt sich im zweiten Text von Koflers Buch. „Furcht und Unruhe“ ist die Geschichte eines Schriftstellers, seiner Geliebten und deren Ehemann. Letzterer dringt gewaltsam in die Wohnung des ersteren ein, zerschlägt Lampen und Stühle, stößt Morddrohungen aus. Auch in diesem Fall sind die Personen nach Täter und Opfer geschieden, Stimmen von Zeugen und Beteiligten spielen in den Text hinein.
Die eigentümliche Spannung, die Koflers Prosastücken eignet, ist indes keine Spannung der Urteilsfindung. Die Qualität des Bandes Üble Nachrede – Furcht und Unruhe gründet in der unerhörten sprachlichen Sicherheit, mit der hier ein komplexer literarischer Rede- und Sprechort bezogen wird. Die österreichische Tradition satirisch-polemischer Bösartigkeit, als deren Exponenten Karl Kraus und Thomas Bernhard zu nennen sind, setzt Werner Kofler in einem Sinn fort, der den Großmeistern des Genres alle Ehre macht. Gegenüber moralischen oder juristischen Schiedssprüchen bewahrt die Koflersche Satire Unabhängigkeit und gegenüber dem guten Willen der guten Menschen behält sie in vielen der angesprochenen Dinge schlicht und einfach das eine: nämlich verdammt recht.