Der Mann, der Luft zum Frühstück aß ist eine rührende und zugleich humorvolle Migrationsgeschichte: Sie handelt vom Ankommen sowie vom Erwachsenwerden. Walerian ist dabei ein willensstarker Protagonist, der nach und nach ein Bedürfnis nach dem nächsten zu stillen versucht. Dies verlangt freilich Mut. Er verlässt frühzeitig die Handelsakademie, um mit Gelegenheitsjobs – darunter auch Würstlverkäufer – sein erstes eigenes Geld zu verdienen und sich die eigenen vier Wände zu leisten. Als er eines Tages von einem Kunden das Angebot bekommt als Heizungsableser zu arbeiten, nimmt er an. Türen öffnen sich – fast jede Wohnungstür in Wien. Der Zugereiste kann eintauchen in die skurrile Welt seiner Mitbürger: darunter sind Besitzer von Schlangen und anderen Reptilien; Menschen, die ihre Wohnung mit Postern von nackten Liebenden schmücken, die dem Sonnenuntergang entgegen reiten. Authentischer Lokalkolorit zeichnet den Text aus: statt klischeehafter Fiaker und Sachertorte gibt es Gemeindebau und grindige Beisln.
Während er von Wohnung zu Wohnung marschiert, lernt Walerian die Vorurteile der Österreicher gegenüber den Migranten kennen. Je öfter er aber auftaucht, desto freundlicher wird er begrüßt, er bekommt Essen und Trinken, (Bestechungs-)Geld und eines Tages auch eine Wohnung angeboten. Er steigt auf den Vorschlag des sich trennenden Paars ein – und haust künftig in großem Komfort. Je schöner die Wohnung, desto interessanter ist Mann für die Frauen. Jugendliebe Teresa tritt wieder in Walerians Leben.
Radek Knapps Erzählung ist in einem Plauderton gehalten, der einen immer wieder laut auflachen lässt. Dennoch gelingt es dem Autor, die Ernsthaftigkeit des Themas zu transportieren. Der Prozess des Heimatfindens ist mit großer Anstrengung und Eigenleistung verbunden. „Ich musste mich ganz allein reparieren und mir aus dem Nichts festen Boden unter die Füße zaubern“, sagt Walerian an einer Stelle, und lässt den Leser nachempfinden, wie schwierig die Verwurzelung ist, wenn es keine Unterstützung durch die Familie gibt. Zu seiner Mutter hat Walerian keinen Kontakt. Die Sehnsucht nach seinen Großeltern, bei denen er aufgewachsen ist, schmerzt stark. Halt findet er in schwierigsten Stunden in einem alten Kriminalroman, den er von seinem Großvater geschenkt bekommen hat. Hier isst ein Mann Luft zum Frühstück und sichert sich so in der Gefangenschaft das Überleben.
Der Text endet leider allzu rasch nach 128 Seiten, es wäre schön gewesen, Walerian noch ein wenig bei seinem Einleben zu begleiten.