Wenn es ihn schon in den Westen treibt, ist jedenfalls Österreich vorzuziehen, eine gemäßigte Variante der Bundesrepublik. In Wien, einem Riesenmuseum mit zwei Millionen Wärtern – man denke nur: Schönbrunn, Stephansdom und Lipizzaner – ist das Hotel „Vier Jahreszeiten“ zu empfehlen. Dieses befindet sich inmitten einer historischen Parkanlage, für den Transfer würde schon der örtliche, polnische Pfarrer sorgen, dem er übrigens ein kleines Präsent, nämlich ein (kaputtes) Feuerzeug, mitbringen kann.
Mit der Figur des Waldemar, der das ihm unterschobene Schmuggelgut ganz beiläufig über die Grenze bringt, schickt Radek Knapp in seinem ersten Roman Herrn Kukas Empfehlungen den reinen Toren, mit ihm aber auch sein alter Ego auf die Reise. 1964 wurde der Autor in Warschau geboren, seit 1976 lebt er in Wien, wo er Philosophie studiert hat und sich als Tennislehrer, Saunaaufgießer und Würstchenverkäufer über Wasser hielt. Mit dem Erzählband „Franio“ (1994) hat Knapp ein vielbeachtetes Debüt vorgelegt, manche Kritiker erregten sich zwar über den konventionellen Schreibstil und die vielen Klischees, die da verbraten wurden; Marcel Reich-Ranicki aber zeigte sich von des Autors Witz und Pfiff begeistert.
Dieses Verdikt gilt – ohne jeglichen Abstrich – auch für das neue Buch; einen derart lustigen Text habe ich schon lange nicht mehr gelesen. Wie da von der Gruppe der anreisenden Polen in einer unnachahmlichen Reisebus-Show der österreichische Zoll übertölpelt, und wie diese Gruppe ihrerseits am Wiener Arbeitsstrich von einem Landsmann elegant und brutal übers Ohr gehaut wird, gehört zum Besten, was die organisierte Gemeinheit zu bieten hat. Freilich operiert Radek Knapp in seinem schelmischen Roman, der auch noch ein Augenzwinkern für seine schlimmsten Figuren übrig hat, mit Klischees; diese könnten gar nicht genug überzeichnet sein, um die Wahrnehmung Österreichs durch die Polen (Sauberkeit und Verbote) und den Umgang der Einheimischen mit den Fremden zu skizzieren.
Waldemar erkämpft sich durch diesen Dschungel an Vorurteilen seinen eigenen Weg, irgendwie fällt der Junge dabei aber immer auf die Butterseite. Er entgeht der Verhaftung, durch die Polizei, weil er im entscheidenden Moment gerade hinter einem Baum pinkeln ist. Die Avancen, die ihm sein schwuler Chef macht, erkennt er im letzten, aber gerade noch richtigen Augenblick, wenig später findet er eine Stellung bei einem Händler am Mexikoplatz, der den nicht wenig klischeehaften Namen Bernstein trägt. Auch eine Frau ist dem jungen Mann schlußendlich vergönnt, er nimmt sie mit in sein Quartier, das er zu allen Jahreszeiten im Garten des Belvedere gefunden hat; die Dame steigt in den Brunnen und zieht sich das Kleid und das Höschen aus …
So scheint sich dann für Waldemar der Traum vom Westen erfüllt zu haben, obwohl nicht ganz klar ist, ob es sich hierbei tatsächlich um die Wirklichkeit handelt oder nur noch um ein Phantasma. Herrn Kukas Empfehlungen jedenfalls können so schlecht nicht gewesen sein: Der junge Pole hat sich in Wien assimiliert, nur ist damit leider auch das Buch ans Ende gelangt.