#Prosa

Zu den Elefanten

Peter Karoshi

// Rezension von Erkan Osmanovic

Gegen die Zeit
Wie war Theo zu diesen Felsspalten und Wandzeichnungen gelangt? Er hatte mit seinem Sohn eine Reise unternehmen wollen – von Österreich nach Genua. Ein Vater-Sohn-Abenteuer, das zu mehr Bewegung, Erkenntnis und Verständnis führt. Vor allem aber soll es mehr Klarheit in Theos Leben bringen.

Auf historischen Spuren
Als der spätere Kaiser Maximilian II. den Elefanten Soliman vom Mittelmeer nach Wien brachte, hatte er sich auch für etwas Neues entschieden. Seine Route hat es in die Geschichtsbücher geschafft und ist auch Theo bestens bekannt. Schließlich ist er Historiker. Was ein voller Erfolg für Maximilian II. war, sollte auch heutzutage für Theo und Moritz taugen: von der Salzburger Provinz über Südtirol bis nach Genua soll es gehen – Solimans Reise in umgekehrter Richtung.

Nachdenken über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Auf der Reise denkt Theo über sein Leben, seine Beziehungen und sich selbst nach. Es sind Zweifel und vergessene Hoffnungen, die ihren Weg in sein Tagebuch finden. Er ist kein Melancholiker, aber er misstraut der Zukunft und Gegenwart.
Warum kann er als Kulturwissenschaftler keine einfachen Antworten auf Fragen finden? Fällt es ihm deswegen so schwer, über seinen Werdegang zu entscheiden? Wie ist es dazu gekommen, dass er nun mit dem Schreiben und Korrigieren von Texten sein Brot verdient? In seiner Studienzeit gab es keine Entscheidung für diese Karriere, bloß ein Referat: „Verbindungen des ersten Wiener Kreises zu irgendwohin, anderen Kreisen vermutlich, ich habe es vergessen, hatte es wohl damals schon nicht mehr gewusst.“
Doch genau dieser Vortrag hatte über seine Zukunft entschieden. Er hatte einen Nerv getroffen und ehe er sich versehen konnte, ist er 40 Jahre alt, mitten im Arbeitsleben, und hat eine Ehefrau und einen Sohn. Die immer gleichen Fragen durchziehen sein Denken: Wo ist die Zeit geblieben? Wie kann man sie anhalten? Wo ist sein Platz darin?

Schreiben und erleben
Theo nähert sich der Suche nach dem Vergehen der Zeit durch Beobachtungen. Er betrachtet die Natur, Menschen und die Geschichte – all das in einer analytischen und sachlichen Sprache. Die Tagebucheinträge offenbaren einen einsamen Menschen, der nicht nur an seinen eigenen Lebensentscheidungen zweifelt, sondern auch erkennt, dass sich das Glück eines Moments immer erst im Nachhinein zu erkennen gibt: „Immer erst später und immer erst im Akt des Niederschreibens der Erinnerungen überrollt mich eine Welle der Rührung.“

Was ist Stillstand?
Mit Zu den Elefanten ist Peter Karoshi ein nachdenklicher Roman gelungen, der zwischen Wahrhaftigkeit, Stillstand und Zweifeln schwankt. Die erzählenden Passagen zerfließen in essayistische Ausführungen und verfestigen sich schließlich zu einer mitreißenden Geschichte.

Peter Karoshi Zu den Elefanten
Novelle.
Graz: Leykam, 2021.
208 S.; geb.
ISBN 978-3-7011-8187-2.

Rezension vom 07.06.2021

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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