Der Roman spielt in den 1950er Jahren in einem Bauerndorf nahe der Seen des oberösterreichischen Salzkammerguts. „Meine Frau war zu mir gezogen. Sie kam nicht aus der Gegend, sondern von weiter her, und diese Umgebung hier war ihr noch recht neu und unbekannt. Und da, ganz am Anfang, war alles noch so einfach.“ Kaiser-Mühlecker beschreibt die junge Liebe der beiden Eheleute als zartes, blühendes, unschuldiges Frühlingspflänzlein. Wenn die beiden zum Fluss spazieren oder über die Hügel wandern, dann meint man sich zurückversetzt in die Romantik des 19. Jahrhunderts. Alles ist gut, ihre Liebe ist grenzenlos, die Natur ist ihnen Gespielin und wirkliche Heimat. Theodor vor allem, der junge Bauer, liebt die Natur, er ist eins mit ihr und damit eins mit der Welt. „Wir fuhren durch die langen Täler meiner Heimat, entlang den paar kleinen und breiteren Flüssen und vorbei an den Feldern mit dem schon hoch stehenden Getreide, und vorbei an den Wiesen, über denen die Vögel flogen und gegen Abend Raubvögel kreisten, ein Habicht vielleicht, ein Bussard, wahrscheinlich ein Falke, aber ein jeder über seinem Schatten.“ Es ist eine der Qualitäten des Buchs, wie genau, wie poetisch und anschaulich Natur beschrieben wird.
So vollkommen und idyllisch ist die Liebe am Beginn, dass dem Leser bald klar wird, dass sie nicht dauerhaft sein kann und tatsächlich bringen kaum merkbare Verstörungen die Liebe der jungen Eheleute ins Wanken. „Theodor, du musst aufpassen, dass du dich nicht verrennst in deinem Kopf!“, sagt der Knecht zum Bauern. Doch er, der Empfindsame, Sensible, Nachdenkliche, tut es doch, scheitert an sich und seiner Umgebung. Es sind innere, aber auch äußere Probleme, die auf ihm lasten: Seine Investition in den Bau eines Schafstalls geht nicht auf; der Nachbar, einer der wenigen Vertrauten, begeht Selbstmord; der Vater liegt schwer krank in seiner Kammer und stirbt schließlich. „Es war wie ein heimliches Sterben, ein Sterben wie hinter vorgehaltener Hand, ein Abgang ohne Bewegung, etwas wie das Gegenteil von einem Ereignis. Mein Vater starb still, leise, und nach seinem Tod kam es mir vor, als wäre die Mutter bloß noch halb da.“ Immer tiefer stürzt Theodor in das schwarze Loch, das sich zwischen ihm und den anderen aufgetan hat, am Ende des Buchs wird er sich an einem düsteren Wintertag mit einer Schnapsflasche in den düsteren Wald flüchten.
Der lange Gang über die Stationen ist ein atmosphärisch dichtes Buch, ein schönes, wenn man an die wunderbaren Naturbeschreibungen denkt, ein tragisches, wenn es um die Liebe geht, jedenfalls eines, das den Leser vom Anfang bis zum Ende zu fesseln vermag. Neu ist der Ton, den das Buch anschlägt: Die Sprache ist poetisch, ohne kitschig zu sein, klassisch-antiquiert und dabei doch voller kleiner Brüche in der Wortwahl und der Syntax, künstlich und natürlich zugleich. Ein ungewöhnliches Buch eines ungewöhnlichen Autors: Reinhard Kaiser-Mühlecker ist 1982 in Oberösterreich geboren, dort auf einem Bauernhof aufgewachsen. In Wien hat er Landwirtschaft, Geschichte und Internationale Entwicklung studiert, im Literaturbetrieb ist er bisher unbekannt geblieben. Es ist anzunehmen, dass sich das mit seinem Debütroman ändern wird.