Viele der Erfahrungen der Anita Garibaldi haben mich – als ob das 19. Jahrhundert nie zu Ende gegangen wäre – an die Biographie der Sandinistin Gioconda Belli erinnert. Anita, portugiesisch Aninha, macht vor, was es bedeutet, für eine politische Bewegung zu optieren, hält als Gefährtin Giuseppes Reden, fährt auf Schiffen und geht für ihr Engagement ins Gefängnis. Anita Garibaldi marschiert in Männerkleidung an der Seite Garibaldis durch die Steppen im Süden Brasiliens, steht ihm zur Seite nach Niederlagen, sorgt als Schneiderin für den Lebensunterhalt der Familie. Sie gelangt nach Europa, wo sie übrigens immer mit heller Haut dargestellt wird, und ist fassungslos: „Ich weiß nicht, warum ich erwartet habe, daß in Europa, in Italien, anders gekämpft wird als drüben bei uns, in Uruguay, in Brasilien. Ich war nicht mehr auf Tote, nicht wieder auf Verwundete, nicht auf Hinterlist und Überfall eingestellt.“ Trotzdem begleitet sie ihren Mann in den Kampf gegen die zur Eroberung Roms angetretenen Franzosen. Auf dem Rückzug stirbt sie 1849 bei Ravenna.
Gloria Kaiser, genaue Kennerin ihres Sujets, vermittelt einen sehr unmittelbaren Eindruck von Land und Leuten, zeichnet das Bild einer entschlossenen Frau, die ihre Stärke aus ihrer nicht weißen Herkunft, einer liberalen Erziehung durch einen gewissen Pater Augusto, an den sie später Briefe richtet, und ihrem selbstbewusstem Frausein schöpft. Kaiser läßt Anita in inneren Monologen sprechen und sie an einem imaginären Haus bauen. Es handelt sich bei dieser Biografie um eine recht komplizierte Konstruktion, aber das entstehende Bild ist einfach und stark.