Denn Daniel Löw ist nicht unbedingt ein praktisch veranlagter Mann. Das Minus auf seinem Konto brachte er in den letzten Jahren kaum unter Kontrolle, schließlich verdient er sein Geld hauptsächlich mit dem Schreiben von Lyrik und kann sich nur mit Gelegenheitsübersetzungen über Wasser halten. Weltfremd ist er noch dazu, stets unentschlossen und leicht beeinflussbar. „Ausschließlich in seiner Dichtung ging er den eigenen Weg.“ (S. 67) Gerade er muss nach Caracas, Venezuela, fliegen, um mit Julio Kirshman, dem dubiosen Testamentsvollstrecker, über das weitere Vorgehen zu verhandeln. Kirshman und sein Vater Konrad (laut eigenen Angaben der beste Freund des verstorbenen Onkels) haben mit Löw ein leichtes Spiel. Sie legen dem Erben ein Testament vor, das ihm das gesamte Vermögen zusagt, welches sich in Venezuela befindet. Dort existiert jedoch nur mehr die Wohnung des Verstorbenen, sämtliche Barwerte wurden schon längst ins sichere Ausland transferiert. Dabei soll es sich allerdings um den Großteil des Erbes, einen Millionenbetrag in Dollar handeln.
Daniel Löw nimmt sich daher einen Anwalt, um seinem Recht Geltung zu verschaffen. Es beginnt ein Spießrutenlauf durch Behörden und Instanzen, bei dem der naive Europäer von einer Falle in die andere tappt. Beamte müssen bestochen werden, Politiker werden mit Geschenken mobilisiert, weitere „einflussreiche“ Personen zu Konsultationen herangezogen. Mal sieht die Sache besser aus, dann wieder schlechter bis aussichtslos. Immerhin gelingt dem Schriftsteller nach einigen Mühen, die Testamentsvollstrecker zur Zahlung einer Summe, die auf einem Hamburger Konto deponiert war, zu zwingen. Doch von den Millionen, die nach Panama gebracht wurden, sieht der Erbe weiterhin nichts. Immer verzweifelter und verbissener wird sein Kampf. Löw riskiert schließlich selbst sein Familienglück und wagt die Reise ins Ungewisse: „Panama, malt der Dichter sich aus, kaum ist der Steigflug der American-Airlines-Maschine über Curacao abgeschlossen, Panama City, mein Eldorado!“ (S. 199) Ob es tatsächlich das Eldorado wird, sei hier allerdings nicht verraten.
Peter Stephan Jungks Geschichte eines modernen Michael Kohlhaas bietet Unterhaltung auf höchstem Niveau. Besonders amüsant sind die Passagen über das Verhältnis zwischen dem reichen Onkel und dem armen Neffen – Dagobert und Donald Duck lassen grüßen. Noch als Geist ermahnt Alexander Stecher Bravo den unmündigen Verwandten: „Es fehlt dir an Selbstkontrolle. […] Auch deine mangelnde Sesshaftigkeit hat mich immer sehr gestört. […] Nirgendwo-Überall warst du zu Hause. Konntest dich auch für keine Frau entscheiden. […] Deine Liebschaften, allesamt erbärmlich, weit unter der Familienwürde, haben dir ungemein geschadet.“(S. 70) Es könnte einem bei der Lektüre allerdings das Lachen zeitweise im Hals stecken bleiben. Denn in seinen Bemühungen erinnert Daniel Löw durchaus auch an Josef K. aus Kafkas „Prozeß“. Mit zunehmendem Verlauf des Falles ist kaum noch klar ersichtlich, wie die Chancen tatsächlich stehen, wer ein endgültiges Urteil fällen wird und wann dies zu erwarten sei. Jungks Roman erweist sich letztendlich als eine spannende und zugleich verstörende Parabel über Recht und Unrecht, Macht und Ohnmacht in unserer Welt.