Um Listen jeglicher Art geht es auch im Roman des Autors und Musikers Raimund Jäger. Sein Romandebüt ist im Innsbrucker Skarabæus Verlag erschienen. Der in Bregenz geborene Autor, Jahrgang 1961, ist vorrangig als Liedermacher unter dem Pseudonym „Tschako“ bekannt.
In Listen geht es um Rochen, der mit 37 Jahren beschließt, vier Listen aufzustellen: „Menschen, die ich mag“, „Menschen, die ich nicht mag“, „Menschen, die ich nicht zuordnen kann/will“ und „Ziele“. In den Zielen sind drei Punkte zusammengefasst: Diejenigen, die er mag, zu belohnen; diejenigen, die er nicht mag, zu bestrafen, sowie diejenigen, die er nicht eingeordnet hat, zu bewerten und entsprechend zu belohnen oder zu bestrafen. Dafür gibt sich Rochen zehn Jahre Zeit.
Die elf Personen, die Rochen besucht oder beobachtet, sind meist skurrile, eigenartige oder verschrobene Personen. Etwa Martin, der sich einer „Schönheitsoperation“ unterzieht, die Rochen ihm geschenkt hat: Er lässt sich die Oberlippe um fünf Zentimeter verlängern, große Brüste anbringen und einen verlängerten Ringfinger ansetzen. Daraufhin ist er Kult – wenn er auch nicht ins Guinness Buch der Rekorde eingetragen wird, was ihn sehr ärgert.
Besonders komisch fällt die Bestrafung des Künstlers und ehemaligen Schulkameraden Gersters aus: Am Vorabend einer Ausstellungseröffnung hat Rochen alle ehemaligen Mitschüler eingeladen, die von Gersters gehänselt und erniedrigt worden sind. – Seine Bestrafung nun: Er muss von seinen übermalten Bildern die frische Farbe ablecken, so dass ihm zunehmend schlechter wird.
Diejenigen Personen, die Rochen nicht zuordnen kann, bewertet er, nachdem er sie gesehen hat. So bestraft er den ehemaligen Setzer Bauer, mit dem er sich während seiner Zeit bei der Zeitung eigentlich gut verstand. Doch als Rochen sieht, in welchem irrsinnigen Geisteszustand Bauer mit seiner Familie jetzt als Öko-Landwirt lebt, hält er ihn für verrückt. Bauer bewohnt ein Haus, das sich in einem desaströsen hygienischen Zustand befindet, lässt seine schwerbehinderten Kinder verkommen und entsagt jeglicher Nutzung von Elektrizität. Rochen meldet ihn der Polizei. Als die Beamten, samt Psychologen, Bauers Anwesen näher kommen und Bauer sieht, dass er sie nicht aufhalten kann, erschießt er seine Kinder, seine Frau und sich selbst.
Die teilweise sehr absurden und tragischen Geschichten sind formal bemerkenswert. Der Roman unterteilt sich in einen Prolog, 17 Kapitel und eine Zeittafel. Jedes Kapitel hat wiederum mehrere durchnummerierte Unterkapitel. In den meisten Kapiteln treten Listenpunkte auf, werden Statistiken in Tabellenform oder Häufigkeiten angezeigt. Selbst Gedichte oder durchnummerierte Bibelverse präsentiert uns Jäger als eine mögliche Listenform und schärft so den Blick dafür, dass Aufzählungen mehr sind als nur die „stupide“ Abfolge von Punkten.
Mit Listen ist Raimund Jäger ein absurdes und teils satirisches Romandebüt gelungen. Übertreibung des Körperkults, fragwürdiger Kunstgeschmack oder wahnwitzige Abkehr vom technischen Fortschritt – Jäger versteht es, durch das Groteske seiner Erzählungen einerseits den Finger in die Wunde zu legen, andererseits über das widersinnige Verhalten der Figuren befreit zu lachen. Ein Muss für jeden Satiriker!