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kein schluss bleibt auf der andern

Barbara Hundegger

// Rezension von Antonella Cerullo

Nutten, Lesben und Nonnen sind drei nach außen hin extrem unterschiedliche weibliche Existenzen, die jedoch eines gemeinsames haben, sie haben sich alle für ein Leben entschieden, das anders als „normal“ verläuft: sie sind Außenseiterinnen. Rund um diese Spannung zwischen Verschiedenheit und „innerlicher Verwandtschaft“ konstruiert die Autorin Barbara Hundegger ihr Theaterstück.

Originell ist der Text nicht nur wegen der besonderen Protagonistinnen, sondern auch wegen des Ortes, an dem diese Frauen zufällig über mehrere Jahre in Nachbarschaft lebten. Das Wohnhaus in Innsbruck, das das autonome Frauenlesbenzentrum, das einzige legale Bordell der Stadt und den Schweigeorden der Karmelitinnen beherbergte, ist keine erfundene, sondern eine reale „Bühne“; dieser besondere Ort repräsentiert, was die unterschiedlichen Frauen gemeinsam haben. Das Haus wird quasi zum Sinnbild einer tiefen „Verwandtschaft“ und zum „genius loci“ im klassischen Sinn: Es zieht ähnliche Schicksale an, und somit verfügt es über eine schöpferische Kraft. So berichten zum Beispiel Amata und Gloria (Nonne und Nutte) bezüglich Pat (Lesbe):
„amata: tagelang ist sie herum um diesen häuserblock, bis sie sich getraut hat.
gloria: ab da war ihr leben anders. klingt pathetisch. rückkehr quasi zum aufrechten gang“.

Das Haus spielt im Stück mit, die Einrichtung zu den verschiedenen Szenen veranschaulicht die „Welt“ der Protagonistinnen, die sowohl sinnbildlich als auch stereotypisch wirkt. Während des Rezitierens führen die Frauen typische Hausarbeiten aus wie Ikea Möbel oder Musikanlagen aufbauen, Betten machen, usw. und dabei wird eine symbolische Ausstattung der Szene verwendet; wenn die Nutte in dem Mittelpunkt tritt, wird ein luxuriöses Bett gerichtet, wenn von der Nonne die Rede ist, werden alle möglichen liturgischen Zubehöre herumgeräumt, bei der Lesbe werden Anlagen und Geräte in der Vordergrund gerückt.
Die schöpferische Kraft des Hauses spielt auch bei der Entstehung des Stückes eine Rolle; das Haus dient letzten Endes dem literarischen Einfall, und Barbara Hundegger hebt die besondere Aura dieses Ortes in ihrer Einleitung hervor, sie schreibt: „aber in der luft über diesem frauenhäuser-dreieck musste etwas von dem sich gesammelt haben, was sie wie eine aura umgab. man wusste voneinander, und wusste nicht genau was.“

Hundegger lässt diese Frauen zum ersten mal auf der Bühne zusammentreffen, sie führen schließlich keinen richtigen Dialog, sie erzählen gemeinsam von ihrem eigenen Leben und jenem der anderen. Das Stück ist anhand von Interviews entstanden, die die Autorin mit ehemaligen Bewohnerinnern des Hauses geführt hat. Sprachlich wirkt der Text wie ein Geflecht von weiblichen Stimmen bzw. mehrstimmigen Lebenserzählungen, die sich mit kurzen Monologen, einem Frauenchor und dazwischen einigen Dialogen abwechseln.
Der Fokus liegt auf dem Kontrast zwischen dem Leben der Protagonistinnen und einer unsichtbaren Norm, die jedoch ihre Präsenz spüren lässt .
Die drei Charaktere treten entsprechend aller Klischees auf, ihre Identität wird stark durch verschiedene Ausstattungs-Elementen und am Schluss auch durch ihre Outfits hervorgehoben, dies macht den Kontrast zwischen ihnen und der „Norm“ sichtbar bzw. bebildert es die Klischees, die in der Gesellschaft verankert sind; die sozialkritische Komponente sowie der Mut mit einem System zu brechen und im Einklang mit sich selbst zu leben, werden ständig angesprochen.
Inhaltlich mag vielleicht der Diskurs rund um diese Kluft zwischen dem sexuellen Leben der Protagonistinnen und der gesellschaftlichen heterosexuellen Norm ein veraltetes Thema sein, wie aber Barbara Hundegger mit dem Thema umgeht, macht die Besonderheit und letzten Endes die Qualität dieses Stückes aus.

Barbara Hundegger verfügt über sprachliche Virtuosität, und sie weiss diese zu nützen. Sie setzt das Publikum bzw. den Leser in einen Sprachfluss hinein und reduziert die Handlung auf ein Minimum, sodass man das Stück auch als Lesetext genießen kann. Eine CD zu der Sonderausgabe des Buches sammelt die Chorstücke, die bei der Uraufführung vom fem.art.chor interpretiert wurden, und lässt etwas über Stimmung der Aufführung ahnen.

Barbara Hundegger kein schluss bleibt auf der andern
Theatertext.
Innsbruck, Bozen, Wien: Skarabaeus, 2004.
118 S.; brosch.; m. CD.
ISBN 3-7082-3174-0.

Rezension vom 13.06.2005

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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