#Prosa

Der schwedische Bumerang

Graziella Hlawaty

// Rezension von Barbara Angelberger

Wir schreiben die frühen sechziger Jahre. Der Zweite Weltkrieg, oder auch der „große Krieg“, wie Hlawaty ihn begütigend nennt, ist vorüber und damit auch alles wieder fast gut: die Sofiensäle sind ein „Vergüngungsetablissemt“ und das Wort Paradies hat noch was zu bedeuten: Schweden, ein Eden für jeden.

In besagtem Schweden, vor allem in Stockholm, sind Hlawatys Erzählungen angesiedelt. Sie handeln von der Autorin selbst. Anekdotisches aus Jugendtagen wird aufgearbeitet – Alltagsgeschichte, welche die Ich-Erzählerin munter drauf los plaudernd zum Besten gibt. Der Grundton ist „heiter-besinnlich“, die Sprache läßt das Herz ältlicher Deutschlehrer hüpfen. Da werden Sachen nicht angefangen, nein, man schickt sich an, etwas zu tun; da kann man etwas nicht einfach, nein, man vermag es bzw. ist dazu imstande. Es gibt keine Wortwiederholungen und die Menschen, die die Erzählungen bevölkern, haben das Herz am rechten Fleck. Von „fröhlichen, freundlichen Burschen“ schreibt Hlawaty, von Personen „mit gemütvoller Ausstrahlung“ und Frauen, die keinem weiter „gram“ sind.

Freilich, es gibt auch Probleme. Geld zum Beispiel ist ein solches, vor allem für die Autorin, ein Mädchen aus bescheidenen Wiener Verhältnissen, das gerne Schriftstellerin werden möchte. Mit Tellerwaschen in Schweden und Fleiß kann sie sich und die brotlose Kunst doch noch über die Runden bringen, wie man in der titelgebenden Erzählung „Der schwedische Bumerang“ erfährt. „Bienchen“ treffen wir darin, ein Putzteufelchen mit „preußischem Akzent“, „das vor keiner Arbeit zurückschreckt – nur unehrenhaft darf sie nicht sein“. Wo viel gewaschen wird, ist alles rein, auch die Herzen der Geschirr spülenden Studenten und Studentinnen. Dennoch erlauben sie sich ein Scherzchen mit Bienchen. Rädelsführerin des Spaßkomplotts: die Autorin selbst. Sie ist s, die – „vom boshaften Teufel geritten“ – Bienchen nahelegt, daß es noch was anderes zu waschen gibt als Teller: Leich nämlich.

Daß dieses Lügengespinst auf die Autorin zurückfällt, ist weiter nicht verwunderlich. Damals hatten Lügen noch keine Barbiepuppenbeine, und der Bumerang im Titel möchte ja auch auf etwas verweisen. Bei der Wiederkehr des Spaßes spielt übrigens Heinz Conrads eine tragende Rolle. Schön.

Das Motiv des Wiedergängers findet sich in der zweiten Erzählung. Festgemacht wird es an „Seppi“, einem Kater, der ein „flaumiges Kleinod“ ist, ein „Tier zum Verlieben“. Trotzdem er „schnurrt wie eine Fahrradklingel“, geht er einmal verloren. Unerfreuliches findet statt, doch auch diesmal folgt kein Ende mit Schrecken, sondern ein „gutes“ – wie bei allen vorliegenden Erzählungen. Echte Tragik wird ausgespart, die Erzählungen oszillieren zwischen Betulichkeit und Versöhnlichkeit.

Gerne macht Hlawaty auch die Literatur, sprich ihr eigenes Schreiben zum Thema. Sie erklärt uns, wie ein Telefonbuch sich in einen Roman verwandelt, daß hinter dem Schreiben ein großes Wollen steht und Bäume sprechen. So kann eine Birke die Autorin davon überzeugen, daß es für sie beide besser wäre, sie [die Birke] nicht umzuschneiden. Berufslesern ist solch ein Vorfall nur schwer zu verständlich, moniert die Autorin, weil sie sofort zu interpretieren beginnen, wo nichts zu interpretieren ist. Erlebte Realität verwandle sich ihnen sogleich in hintergründige und symbolbehaftete Geschichten. Das ist nicht nötig, findet die Autorin, finde im vorliegenden Fall auch ich. „Das Geschilderte sprach ja für sich.“

Graziella Hlawaty Der schwedische Bumerang
Erzählungen.
Mit einem Nachwort von Alexander Giese.
Wien: Edition Atelier, 1999.
120 S.; geb.
ISBN 3-8530-8039-1.

Rezension vom 09.07.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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