Alles hatte mit Frau Gigeles Kontakt zu Faustinis verstorbener Großtante Fini angefangen. Die Nachbarin, passionierte Hobby-Menschenseherin, richtet ihm nicht nur herzliche Grüße aus dem Jenseits aus. Sie legt ihm auch Tante Finis Ratschlag ans Herz, er möge dringend die Reinigung seiner Eingeweide in Angriff nehmen. Herr Faustini staunt und denkt nach. Aber zuallererst macht er sich auf die Suche nach einem neuen Lebensabschnitts-Pullover. Nicht, bevor er sich ausdrücklich beim alten Lieblingspullover für seine guten und langjährigen Dienste bedankt hat. Aber es kommt schon wieder anders. Mit Tante Finis Gruß aus dem Jenseits hat sich augenscheinlich ein Tor zum Übersinnlichen geöffnet. Denn in Susi Kroths Laden erwartet Herrn Faustini die nächste Ungeheuerlichkeit: In Susis Hund Tobi wohnt ganz ohne Zweifel ein alter Mann. Herr Faustini staunt und handelt. Er geht mit Tobi Gassi, um in einem ungestörten Moment unter sechs Augen mit dem alten Mann zu reden. Vielleicht kann er ihn ja aus dem Hund befreien. Möglicherweise ist der „Herr über hundert Schlüssel“ schon der passende Unterschlupf für den Mann im Hund?
Aber erst einmal beherzigt Herr Faustini Tante Finis Rat und nimmt seine Darmreinigung in Angriff. Eine Anzeige führt ihn nach Lindau zur Hydro-Colon-Therapie von Doktor Gurgel-Etzel. Dort spült die zupackende Arzthelferin Brunhild in zehn Sitzungen Faustinis Eingeweide so lange mit warmem Wasser, bis er vollständig entkräftet ist. Im Krankenhaus wird er von Dr. Jagerschwill und Schwester Edeltraud mit Bananen wieder aufgepeppelt. Jetzt erst kann er sich seiner neuen Verantwortung stellen und dem Mann im Hund helfen.
Tobis „Untermieter“ hält sich nämlich seit einer jugendlichen Rauferei mit Freund Mario im Hund versteckt, verrät ihm der aus Tobi heraus sprechende alte Mann. Mit Unterstützung von Frau Gigeles hellseherischen Fähigkeiten macht sich Herr Faustini auf die Suche nach Mario. Denn, so Herr Faustini: „Manchmal kann man eben nichts anderes tun als man tut. Und darauf vertrauen, daß eins zum anderen kommt.“ In Tonis Kiosk laufen schließlich alle Fäden zusammen. Am Ende wird alles gut. Alte Freunde treffen sich wieder, Herr Faustini und Brunhild finden zueinander und der Mann im Hund bleibt, wo er ist. Denn, so Gundolf: Als Hund hast du es hinter dir, als Hund kannst du ganz da sein, jetzt ist jetzt, und so wie es ist, ist es gut. Wie Tobi mit der Knackwurst da ist, denkt Herr Faustini mit einer kleinen Sehnsucht und schaut hinaus auf den See.
Faustinis kleine Sehnsucht, seine Unbeholfenheit und Gutmütigkeit sind es, die ihn so menschlich und liebenswert machen. In seiner altertümlichen Höflichkeit, Umständlichkeit und Ungeschicktheit ähnelt er seinem französischen Bruder Monsieur Hulot, Jacques Tatis sympathischer Filmfigur. Normalerweise spielt sich das Leben des alleinstehenden Pensionisten zwischen Ohrensessel und Fressnapf für den Kater ab. Vielleicht schenkt er deshalb allen Dingen seiner nächsten Umgebung die gleiche Aufmerksamkeit und Zuwendung. Ihn kümmert die Einsamkeit seiner Waschmaschine genauso wie der würdige Abschied vom Lieblingspullover und die feierliche Begrüßung des Zitronenbaums. Mit Respekt und Gutmütigkeit begegnet Herr Faustini auch Menschen und Situationen außerhalb seiner kleinen Welt. Seine charmante kindliche Naivität bringt ihn immer wieder zum Staunen und ins Grübeln. Über die selbstverständlichsten und die seltsamsten Dinge wundert er sich in gleichem Maße. Daraus entstehen eigenwillige Überlegungen von philosophischer Dimension. Faustini fühlt sich wohl in dem „weiten Feld der unbeantworteten Fragen“. Denn was gibt es Enttäuschenderes als Fragen, die allzu leicht beantwortbar sind, findet Herr Faustini?
„Das ist das Privileg Faustinis: Er ist zu naiv, zu ungebildet, zu dumm für diese Welt. In dieser Einfachheit durchschaut er die Welt besser als andere“, sagt Autor Wolfgang Hermann über seine Figur. Hermann hat nach „Herr Faustini verreist“ mit „Herr Faustini und der Mann im Hund“ einen ebenso amüsanten und tiefsinnigen Folgeroman über den skurrill sympathischen Pensionisten nachgelegt. Spätestens jetzt hat sich Herr Faustini als würdiger österreichische Kollege von Tatis Monsieur Hulot etabliert. „Das Humorvolle und trotzdem einen Tiefgang haben. (…) Das Ganze: Die Welt ausleuchten aber mit einem Lachen, das hat mich interessiert“, so der Autor. Mit Herr Faustini und der Mann im Hund ist es ihm ein weiteres Mal gelungen. Hoffentlich müssen wir nicht lange auf das nächste Faustini-Abenteuer warten.