#Roman

Mein Mörder

Monika Helfer

// Rezension von Christine Rigler

Mit ihrem neuen Roman nimmt sich die Vorarlberger Schriftstellerin Monika Helfer des Themas jugendlicher Gewaltverbrechen an und schildert zwei Familientragödien aus der Sicht eines der Täter.
Ein vernachlässigter kleiner Junge namens Ferdinand berichtet von seiner Begegnung mit dem siebzehnjährigen Tschakko, der behauptet, auf der Flucht zu sein, weil er seinen Vater und dessen Geliebte mit einer Pump Gun erschossen habe. Ferdinand versorgt ihn mit Kleidung und Essen und liefert sich ängstlich wie fasziniert seinem Einfluß aus.

„Mein Mörder tötete freiwillig zwei Menschen, und trotzdem sehe ich in ihm keinen Gewaltverbrecher. Ich kann beim besten Willen nicht sagen, warum. Er lenkte mein Leben in eine Richtung, die mir angemessen erschien. Er ist wie mein Bruder“. Die Tatwaffe verstecken die beiden – fertig geladen – im Kinderzimmer unter dem Bett, wo sie griffbereit der nächsten Katastrophe harrt. Tschakko verschwindet nach einiger Zeit, und in Ferdinands Familie scheint sich alles zum Besseren zu wenden. Als jedoch eine Frau auftaucht, die das neu gewonnene Familienglück zu bedrohen scheint, beschließt der kleine Ferdinand, sich und seiner Mutter ebenso zu helfen, wie sein Freund Tschakko es getan hatte.

Monika Helfer hat ihren Roman (mit dem sie auch zum diesjährigen Bachmann-Preis angetreten war) mit großer Sympathie für die beiden kindlichen Charaktere verfaßt, was zwar verständlich ist, aber einer realistisch-aufschlußreichen Darstellung im Weg steht. So bleiben zum Beispiel Äußerungen selbst harmloser Aggressivität in diesem Bericht eines noch nicht einmal schulpflichtigen, einsamen Kindes, das einen Mord begeht, weitgehend ausgeblendet. Kinder sind aber nicht nur empfindsam, verletzlich und ängstlich – sie können, auch in relativ normalen Lebensumständen, ebenso egoistisch, mitleidlos und brutal sein. Extrem gewalttätige Reaktionen in Zusammenhang mit positiv und negativ belegten Eigenschaften und Verhaltensweisen zu zeigen, würde daher nicht unbedingt die Annahme einer prinzipiellen „Unschuld“ von Kindern denunzieren, sondern einen differenzierteren Analyseansatz abgeben.

Die Spannung von Ich-Erzählungen liegt im Allgemeinen darin, daß diese Einblick in subjektive Gedanken und Empfindungen einer Figur gewähren. In „Mein Mörder“ soll die eingeschränkte Perspektive des Kindes zwar den Roman tragen, wird aber nicht konsequent durchgehalten. Einschätzungen, Werturteile und Ausdrucksformen, die den Horizont des jungen Erzählers eindeutig überschreiten, aber auch nicht immer dem Prinzip der Imitation zuzuschreiben sind, überlagern die kindliche Sichtweise. So kommt die Stimme des Kindes, der hier Gehör verschafft werden sollte und die vor allem in ihrer Abweichung vom Denken Erwachsener von Interesse wäre, trotz bester Absichten eigentlich nicht wirklich zur Geltung.

Monika Helfer Meine Mörder
Roman.
München, Zürich: Piper, 1999.
160 S.; geb.
ISBN 3-492-04184-1.

Rezension vom 08.10.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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