Dass die Autorin von Die Party weiß, wie Komik funktioniert, kann man schon von den ersten Seiten des Romans ablesen. Bereits dort wird ein äußerst amüsantes Bild der namenlosen Protagonistin gezeichnet. Sie ist eine sympathische Chaotin: Ein wenig verplant, ziemlich gutmütig zudem, aber auch pragmatisch und sehr intelligent. Letztere Eigenschaft zeigt sich nicht nur daran, dass ihr eine Lektoratsstelle an der Universität angeboten wurde, sondern auch an den geistigen Vernetzungen. Sie hat Gedanken, die abseits der Norm stehen und wahrscheinlich auch im Anschluss an die Lektüre nicht für jede/n nachvollziehbar sind. Allen voran die innige Liaison, die sie mit einer Softeismaschine eingeht.
Der Mädchenschwarm
Die Protagonistin des Romans hat ihre Softeismaschine durch die Arbeit kennen und lieben gelernt. Zu Beginn war es ein Job, der ihr das Leben finanzieren sollte. Als sie dann längere Zeit mit der Softeismaschine zusammengearbeitet hatte, entwickelte sich jedoch ein innigeres Verhältnis und sie entschied, aus dem Job einen Beruf zu machen. Dass sie dann trotzdem noch einen richtigen, also gesellschaftlich anerkannten Auftrag erhalten würde, war eine Überraschung, die ihr Verhältnis zur Softeismaschine nicht nachhaltig beeinflusste. Immerhin arbeitete sie trotzdem noch eng mit dieser zusammen, was dann auch der Grund war, warum sie zur titelgebenden Party eingeladen wurde. Oder besser gesagt: Einer der Gründe, denn ohne ihre freundliche, aufgeschlossene Art wäre sie nie mit dem Herrn „Einmal Erdbeere, bitte.“ (14) ins Gespräch gekommen, bei dem es sich nicht nur um einen „Ende vierzigjährigen Jugendlichen“ (15) und „verblühten Erdbeereisjunkie“ (17) handelt. Diese Figur ist auch ein „renommierter Wiener Regisseur“ (12) und, was für den Verlauf des Romans noch wichtiger ist, ein selbsternannter Feminist.
Per Gelato ins Unglück
Doch eigentlich ist das sogenannte Gespräch, das die namenlose Protagonistin mit dem „Ende vierzigjährigen Jugendlichen“ (15) führt, gar keine richtige Unterhaltung. Immerhin existiert kein verbales Ping-Pong-Spiel mit Information als Ball, der dann von einer Person zur anderen gespielt und dabei mit einer persönlichen Note oder einem wissenswerten Zusatz bereichert wird. Im Gegenteil: Eigentlich gibt es weder das Ping noch das Pong und der Ball, also die Information, die die Protagonistin dem Regisseur zukommen lässt, schlittert an diesem vorbei ins Leere. Denn er ist ein Mann, der nur sich selbst gern reden hört. Andere Meinungen werden entweder ignoriert oder als unbrauchbar befunden. Eine an den Haaren herbeigezogene und für die Interessen des Regisseurs maßgeschneiderte Gegenargumentation ist das Höchste der Gefühle. Eine Figur, die leider aus dem Leben gegriffen ist. Ebenso wie zahlreiche andere Aspekte dieses Romans handelt es sich um eine Fineliner-Nachzeichnung der Realität, bei deren Lektüre sich wahrscheinlich zahlreiche Leserinnen und Leser wünschten, dass sie nicht so scharf beobachtet wäre.
Das unbequeme Wort
Nachdem der besagte Regisseur die Eisverkäuferin spontan zu seiner Party eingeladen hat, sorgt eine Kette von Ereignissen dafür, dass sie tatsächlich bei diesem Event erscheint, das ironischerweise in einem Keller stattfindet und als Kochparty getarnt ist. Es wird jedoch schnell klar, dass der kulinarische Aspekt nicht im Vordergrund steht. Vielmehr nutzen einige Charaktere diesen Raum, um sich in Szene zu setzen. Darunter der Regisseur, ein Mann, der in seiner Freizeit Frauen aus erzieherischen Gründen in dunklen Gassen verfolgt. Die Verena, eine selbsternannte Powerfrau, die findet, dass starke Persönlichkeiten weder Quoten noch das Gendern brauchen. Das glückliche Paar, das starke Frauen supportet, indem es ihre Gesichter auf Kochschürzen drucken lässt und die Werte der 50er-Jahre rehabilitiert. Und der Mann mit der Nickelbrille, der findet, dass manch eine kurvige, kinderlose Frau ihre Komplexe mithilfe von Familienplanung tilgen sollte. Die scheinbar gebildete, moderne, weltoffene und feministische Gesellschaftsschicht offenbart mit dem Fortschreiten der Seitenzahl ihr anderes Gesicht und wirft ein neues Licht auf die Frage, die die Schauspielerin Emma Watson 2014 in ihrer Rede für die Kampagne HeForShe in den Raum gestellt hat: „Why has the word become such an uncomfortable one?“
Die Einkreisung
Der ganze Abend ist ein absoluter Reinfall und die namenlose und zumindest anfangs scheinbar meinungslose Protagonistin wird mit dem Fortschreiten der Ereignisse mutiger. Tatsächlich hat sie eine Meinung und diese muss irgendwann einfach nur gesagt werden – wenn auch über Umwege: „‚Was? Nein, das hab ich nicht gemeint, ich wollte nicht die Gerti slutshamen, ich wollte überhaupt nichts gegen die Gerti sagen, ich wollte was gegen euch sagen, was ihr da abzieht, ist völlig gestört!‘ […]“ (178) Genau diese Meinung zählt zu den wenigen, die den Leserinnen und Lesern in diesem Roman aufgetischt werden und zugleich nachvollziehbar sind. Denn einen Abend lang werden unterschiedlichste Frauen durch den Dreck gezogen – u.a. auch Natascha Kampusch. Wie es der Autorin des Romans gelungen ist, diese Aussagen auf Papier festzuhalten, bleibt ein Rätsel. Als Leserin oder Leser vermag man sie kaum zu denken. Doch leider sind sie nicht realitätsfern genug, um sie als Fantasterei abzustempeln. Wahrscheinlich kommen zahlreiche Menschen bei der Auseinandersetzung mit dem Buch immer wieder an Punkte, wo sie sich fragen: Ist das erfunden oder recherchiert?
Bei der Lektüre des Romans von Ulrike Haidacher wandelt man anfangs noch auf dem schmalen Grat zwischen Humor und Ekel. Recht schnell bleibt jedoch nur noch letzteres Element erhalten, denn in dem Buch finden sich Sätze, die schwerer wiegen als Blei und kaum zu schlucken sind. Natürlich handelt es sich um Zuspitzung, doch fragt man sich an manchen Stellen durchaus, ob diese nicht gar zu krass gezeichnet sind. Jedenfalls ist der Autorin ein Werk gelungen, das zur Reflexion über Ungleichheit und Diskriminierung anregt sowie die Bedeutung des Wortes Feminismus in dieser Zeit in Frage stellt.