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#Roman

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Friedrich Hahn

// Rezension von Gabriele Kögl

Eine Nahaufhörerfahrung.

Es ist Ende August 2017. Friedrich Hahn hat zu diesem Zeitpunkt 32 Bücher geschrieben und über 20 Texte und Performances für Hörfunk und Bühne gestaltet. Und trotzdem hat er das Gefühl, dass niemand auf seinen neuen Roman neugierig ist, den er gerade abgeschlossen hat.

Zur Literatur kam er über die Lyrik, mit der er experimentierte, indem er romantisches Gestammel zertrümmerte. Er entdeckte Heimrad Bäckers „neue texte“ und sah, dass es für seine Spielwiese einen Name gab: Konkrete Poesie. Noch vor der Matura erschienen seine „spiegelbilder“ in den „neuen texten“.
Hahn überlegt, seinen Vorlass der Nationalbibliothek anzubieten, und arbeitet seine literarische Vergangenheit auf. Das ist der Ausgangspunkt für die vielen Erinnerungen und Überlegungen in diesem Buch. Und es ist spannend und vergnüglich, Friedrich Hahn dabei zu begleiten. Mit viel Selbstironie, aber auch mit einiger Gekränktheit beschreibt er das Leben mit der schweigsamen Mutter, die ihre Gefühle immer zurückgehalten hat, und dem trunksüchtigen Vater in einer Zimmer-Küche-Kabinettwohnung bis hin zum Besuch des Gymnasiums in der Kundmanngasse, eine Schulbildung, die für ein Eisenbahnerkind nicht vorgesehen, aber durch die Politik Kreiskys möglich geworden war. Seine überbordende Phantasie bringt ihn bald zur Werbung, und Hahn erkennt, wie nahe Werbung und Lyrik beieinander liegen. Er wird Werbedesigner, kreiert Logos für Banken und Versicherungen genauso wie für Verlage, Literaturvereine und Buchhandlungen und versucht ein Leben lang den Spagat zwischen Werbung und Literatur. Hahn erfand die „Wandspielwochen“ mit jeweils 15 bis 20 Plakatstellen über ganz Wien verstreut. Auf türkisem Hintergrund prangte in Grellrot der Sager: „der kunst unter den rock geschaut!“
Er versucht sich auch als Verleger, organisiert die „Dichtermeile“ im 9. Bezirk, ruft als grüner Bezirksrat das Bezirksschreiberstipendium ins Leben und hält Literaturkurse. In einer Schule wird er einmal sogar mit : „Guten Tag, Herr Literatur!“ begrüßt.
„Allerhand Hahn“, wie er bezeichnet wird, ist zu kurz gegriffen für den Tausendsassa, der sofort hundert Ideen hat, wenn er ein Medium zu fassen bekommt. Aber er leidet unter dem Schicksal eines verkannten Generalisten. Er fühlt sich nirgendwo wirklich dazugehörig und sieht sich meist „mittendrin unter Außenseitern!“
Hahn lässt in seinen Erinnerungen nicht aus, dass es eine Zeit der „Abundzubiere“ gab, und ein entscheidendes Erlebnis, das ihm den Alkohol für alle Zeiten vermiest hat. Berührend und poetisch ist es, als er die Mutter ausführen will und sie erst mitkommt, als er sich die Haare wäscht. Später, wenn er die Mutter auf dem Friedhof besucht, wäscht er sich vorher immer die Haare.
Als zu seinem 65. Geburtstag niemand ein Interview mit ihm macht, macht er selbst eines und ist Interviewer und Interviewter zugleich.
Das zeigt Hahns Einsamkeit, aber auch seine Fähigkeit, aus allem zu schöpfen, was ihm widerfährt. Bei seinem Ärger über viel Angestrebtes und Misslungenes, Ungerechtes und zu Unrecht Gehyptes schwebt ein Hauch Ironie über den Sätzen, die immer literarisch sind und die man festhalten möchte. Ob er sich als vorauseilenden Plagiator sieht oder über die Nacht der Bücher philosophiert, in der sie in den Bücherkästen miteinander sprechen wie angeblich die Tiere in der Weihnachtsnacht. Oder von seiner Vorstellung von Glück: „Einmal Schachtel sein und Lieblingsplatz einer Katze werden.“
Je näher er den letzten Seiten in diesem Buch kommt, umso drängender wird die Frage, wie er sich als Ex-Schriftsteller positionieren und managen kann. Es gibt Momente, in denen er sich in Rage schweigt. Und er weiß nach Jahren des Schreibens endlich, wie er ein Schriftstellergesicht machen soll, aber jetzt ist es an der Zeit, sein Exschriftstellergesicht zu üben. Als es dem Ende zugeht mit dem Aufhörbuch, bemerkt er: „Meine Schreibkrise ist, dass ich nicht aufhören kann.“ Er schreibt also gegen das Aufhören an und fragt gegen Schluss ganz leise: „Kann man auch mit dem Aufhören aufhören?“. Je mehr er sich damit beschäftigt, umso schneller kommt die Erkenntnis, dass es ihn mehr Kraft kostet, nicht zu schreiben, als zu schreiben. Und schon auf den letzten Seiten ist zu lesen: „Bis Anfang Mai sollte ich also zu einem Ende kommen mit meinem Aufhören!“
Und es sei hier schon verraten: Auch in diesem und im nächsten Jahr werden Bücher von Friedrich Hahn erscheinen, und ich würde mit ihm wetten, auch wenn es bald 40 sind, es werden nicht die letzten sein.

Friedrich Hahn Der Autor steht für Lesungen und Pressetermine NICHT zur Verfügung
Biografischer Roman.
Weitra: Bibliothek der Provinz, 2019.
318 S.; brosch.
ISBN 978-3-99028-826-9.

Rezension vom 29.03.2020

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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