So unterschiedliche Autoren wie Wolfgang Herrndorf, Robert Gernhardt oder Maxim Biller legten inhaltlich höchst unterschiedliche Sammlungen mit Erzählungen vor, die alle eines auszeichnet – sie sind mal böse, mal ironisch, doch allesamt brillant. Sie sind mal melancholisch, mal klug, mal von einer extensiven Lektüre amerikanischer Kurzgeschichtenautoren genährt wie bei Biller, der Hemingway, Carver und Richard Ford genau gelesen hat. Und alle schreiben über das Leben, die Verzweiflung, über Liebe heute. Liebe heute, das wäre vielleicht ein Alternativtitel für den jüngsten Band des in Walding nahe Linz lebenden, 1960 geborenen Autors Rudolf Habringer (hätte diesen Titel nicht bereits Maxim Biller verwendet). Genannt hat er sein jüngstes Buch aber dann doch „Alles wird gut“.
Den unüberhörbar ironischen Zungenschlag unterstreicht das gut gewählte Schutzumschlagmotiv mit Gummistiefeln in Signalfarbe vor grüner Wiese. Habringer hat in den letzten Jahren vornehmlich Satiren verfasst. So erschienen die Bände „Bernhard Minetti geht turnen“ (1999), „Hansi Hinterseer lernt singen“ (2000) und „Thomas Bernhard seilt sich ab“ (2003), außerdem zwei Romane, „Der Fragensteller“ (1992) und „Liebes Kind“ (1998).
Aber wird bei Habringer „alles gut“? Das Resümee fällt verhalten aus. Der Band setzt ein mit einer Geschichte über einen schüchternen Pianisten, der sich in eine Tänzerin verliebt, diese Liebe aber nie konkret zu äußern wagt. Dann geht er mit der Tanzcompagnie auf Tour, ja wird gar mit der Angebeteten in ein Doppelzimmer einquartiert. Es passiert, ein kleistisches Verzweiflungs-Ach ist hier angebracht, ach, nichts.
Die zweite Geschichte handelt ebenfalls vom Versuch einer Liebesannäherung. Ein Mann, der in der Telefonvermittlungszentrale arbeitet, ist entflammt für die Moderatorin einer nächtlichen Talkradiosendung, die zufällig seine Nachbarin ist. Fast 60 Seiten lang beschreibt Habringer die zarten, verhaltenen Annäherungsversuche, die im Nichts enden. Die in einem Faschingsfest kulminieren, bei der dieser Albert diese Lisa berührt, ihr über die Wange streift. An dieser Stelle setzt sofort ein Perspektivwechsel ein. Für Lisa ist diese Berührung zwar etwas merkwürdig, aber ganz und gar nebensächlich.
Dann gibt es noch die Erzählung, wo zwei emotional Versehrte an einem Sommertag zueinander finden und wo sich Habringer an das Schwierigste überhaupt macht, an die Beschreibung eines leidenschaftlichen physischen Liebesaktes. Des weiteren erzählt der Oberösterreicher von einem katholischen Priester, der von tiefen Zweifeln überfallen und von Verzweiflung gepeinigt wird, weil ihn seine Geliebte verlassen hat; am Ende entführt er eine Jesus Christus-Figur. Von einem jungen Mädchen, das eine sadistische Ader entdeckt, das Töten ihrer Hunde, um das Interesse ihres geschiedenen Vaters um so stärker auf sich zu lenken, erzählt Habringer ebenso wie er eine „Liebesgeschichte“ präsentiert, einen Suizid, während der Schlusstext von einer lebenslangen emotionalen Verletzung berichtet.
Der Berliner Kolja Mensing gab seiner Sammlung von Kurzgeschichten, die dieses Frühjahr erschien, programmatisch den Titel „Minibar“. Doch von Erfrischung kann bei Mensing nicht die Rede sein. Bei Habringer auch nicht. Seine leicht zu lesenden Texte kommen relativ kunstlos daher. Ab und an bricht sich seine satirische Ader Bahn. So erfüllt das Personal der Rundfunkanstalt zahlreiche Klischees, was durchaus nicht, ist man mit solchen Institutionen näher vertraut, aus der – gesendeten – Luft gegriffen ist.
Hat man die neuen Texte Rudolf Habringers durchgelesen, stellt sich am Ende ganz rasch, ganz unvermutet ein Gedanke ein: Wieso hat er den Band nicht dem Deutschen Literaturinstitut Leipzig gewidmet? Denn für die Studenten jenes Hauses, an dem die Autoren Josef Haslinger, Hans-Ulrich Treichel und der Poet Michael Lentz kreatives Schreiben lehren, wären die Habringerschen Erzählungen als Unterrichts- und Anschauungsmaterial ausnehmend gut geeignet.