Der Grantler ist Detektiv im gegenständlichen Kriminalfall. Zell am See: Ein amerikanisches Ehepaar ist unter mysteriösen Umständen tot im Sessellift aufgefunden worden, die zuständigen Ermittlungsbeamten kommen in der Recherche nicht voran. Erst der Expolizist Brenner, würdige Bereicherung des internationalen Repertoires kriminalistischer Antihelden von Studer, Maigret bis Columbo und Co., bringt in seiner Langsamkeit Schwung in die Nachforschungen um Zusammenhänge und Hintergründe im Familienclan des Lokalmagnats, des sogenannten „Vergolders“. Im Zuge seiner ermittlerischen Arbeit lernen wir ihn kennen und schätzen, den Mann mit den Migräne-Attacken, dem feinen psychologischen Gespür und der „Buwog-Wohnung“, von der verschiedene Damenbesuche einhellig feststellen, sie habe „irgendwie überhaupt keine Atmosphäre“ (S. 27).
Als „Gschaftlhuber“ hat den Erzähler sein Autor selbst in einem Interview charakterisiert. Tatsächlich verrennt sich jener andauernd in alle möglichen Nebensächlichkeiten, was dem Handlungsverlauf eine geradezu gnadenlose Unmenge an retardierenden Momenten beschert. Dennoch hört man ihm gerne zu, dem weit ausholenden und schwer festzumachenden Erzähler, der so etwas wie die sprichwörtliche „österreichische Seele“ repräsentiert und in oft erschreckend authentischer Weise als deren Sprachrohr fungiert. Gemeinplätze, Binsenweisheiten und Halbwahrheiten eröffnen einen Kosmos des Alltäglichen, doch scheint dem Erzähler auch immer wieder daran gelegen, stimmungsvolle Untermalungen zu schaffen wie ein Bänkelsänger, der „die Moritat von Zell“ überliefert.
Das Umkreisen des Plots geht allerdings nie so weit, die Gattung kippen, den Krimi zum Anti-Krimi werden zu lassen. Letztendlich lösen den Fall Brenners Sturheit und seine Intuition, und damit wären wir beim dritten Beteiligten, dem Germanisten. Als Brenner in der Lokalblatt-Schlagzeile „Auferstehung der Toten“ deklinierend („Weil zu was haben wir eine Grammatik.“, S. 151) die Fälle durchspielt, rückt die Lösung des Falls näher. Es geht ihm auf, daß „der Toten“ nicht nur ein Genitiv Plural (auf die ermordeten Amerikaner bezogen) sein kann, sondern ebenso ein Genitiv Singular – und mit der „Auferstehung“ einer gewissen tot Geglaubten hat Brenner den Schlüssel zum Komplott in der Hand. „Der Duden-Detektiv“ (S. 151), wird Brenner darauf spöttisch vom Journalisten und Schöpfer der Schlagzeile tituliert. Und selbstironisch mag der Autor, der über die sprachtheoretischen Grundlagen konkreter Poesie promoviert hat, damit auch auf sein durch und durch sprachbewußtes Schreiben anspielen.
Daß eine konsequent über drei volle Seiten durchgehaltene Dialogpassage, die knappe Aussagen pingpongartig zwischen „Sagt der Brenner:“ und „Sagt der Lorenz:“ plaziert (S. 63ff.), das Lektorat einer sprachlich eher im Mainstream angesiedelten Krimireihe passiert hat, bezeugt die letztendliche Honorierung unkonventionellen Schreibens, wenn die Methode stimmig ist. Haas‘ in eine ziemlich gute Story verpackte Dokumentation sprachlichen Lokalkolorits ist lexikalisch wie syntaktisch eine Fundgrube, ist kühne, gekonnte und durchdachte Verschriftlichung alltäglicher unprätentiöser „oral literature“. Der Autor soll diese spezifische Art zu schreiben während eines längeren Auslandsaufenthaltes entwickelt und kultiviert haben. Nur in der Ferne, nur aus der Distanz sei diese Art der österreichischen „Parole“ schreibbar. Unter diesem einen Aspekt ist zu bedauern, daß Wolf Haas inzwischen nach Wien zurückgekehrt ist.