Der Versuch eines erzählenden Ichs, sich zu erinnern, spaltet dieses Ich in einen Beobachter der eigenen Gefühle, einen Beobachter fremder Gedanken und Gefühle, einen Beschreiber der Begegnungssituationen zwischen dem Ich und den Anderen und zugleich noch in einen Erfinder verschiedener möglicher Varianten der eben beschriebenen Begegnungen.
Das Leben erscheint als eine Serie mit Fortsetzungen
(S. 177f.). Gestalten aus erinnerter Lektüre werden zu Gestalten aus erlebter Erinnerung, und Glück stellt sich und dem Leser die Frage, ob es überhaupt tatsächliche Erinnerung geben kann, da der Mensch immer nur die Gegenwart wirklich erlebt. Erinnern und Gedenken ist Erfinden: „alles beruht zwar auf klaren gesetzmäßigkeiten, hängt aber gleichzeitig auch von unseren einbildungen ab.“ (S. 214), schreibt Glück und folgt somit dem radikalen Konstruktivismus, der sich zwar durch sein Werk zieht, jedoch nie programmatisch wird. Vielmehr spielt Glück verschiedene Positionen zu Fragen nach Existenz und Identität gegeneinander aus: „all die gespräche, von denen nichts in meinem gedächtnis bewahrt worden ist, waren schon damals, als ich sie führte, eine täuschung, die ich mir zufügte, um auch in jeder anderen beziehung genauso blöd dazustehen.“ (S. 160)
So wechselt der Erzähler beliebig die erinnerten oder erfundenen Identitäten, konstruiert Kontinuität, um sie im nächsten Augenblick wieder zu zerstören. Die Bilderzyklen zwischen den einzelnen Geschichten haben eine ähnliche Funktion.
Eines ist jedoch sicher: die beschimpfenden Leserreaktionen (hat Glück sie erfunden oder erinnert?), die der Autor statt einer Kurzbeschreibung im Verlagsprospekt abdrucken läßt, tun dem Buch unrecht.