#Prosa

Fingerkraut und Feenhandschuh

Barbara Frischmuth

// Rezension von Petra M. Rainer

Barbara Frischmuth eröffnet die heurige Gartensaison mit einem literarischen Gartentagebuch:
Es ist Winter, der Schnee legt eine warme Decke über die fröstelnden Gartenpflanzen, und die Autorin nützt die kontemplative Stimmung: Es entsteht ein Text, der von der zehnjährigen Erfahrung mit dem eigenen Garten erzählt, vom Pflanzen- und Unkrautjäten, vom Beobachten des Wetters und des Gedeihens der Setzlinge, von ausgetüftelten Duftbuketts, vom Verschwinden mancher Pflanzen und vom Ernten.

Übrigens begann das Gartenexperiment eher wie eine grüne Donquichotterie: Die Autorin, ganz Wortmensch, beginnt mit dem Studium einschlägiger Literatur. Philosophische Abhandlungen, Auspflanzbuch, Bücher über Rosen und Bodenverbesserung, also alles was zu finden war. Allerdings merkt die Autorin dann doch, daß sie es hier mit einer Materie zu tun hat, die vor allem mit den Händen erarbeitet werden muß. Sie erkennt die Eigengesetzlichkeit der von Hildegard von Bingen „Viriditas“ genannten Grünkraft als einen Partner, auf den man sich einlassen muß. Und so erobert die Autorin nicht nur die Gartenpraxis, sondern auch die wichtigsten Eigenschaften der Gärtnerin: Geduld, Beständigkeit und Aufmerksamkeit.

Nach und nach werden dann die spezifischen Erfahrungen mit Türkenbund und Akelei, die weit in die Kindheit zurückreichen, ausgeführt, mit alten Rosen, nach denen der Autorin anfänglich gar nicht der Sinn stand. Aber nicht nur einmal findet sie einen literarischen Zugang zu den Gewächsen: Mitten in einem profanen Gartencenter erblickt die Gartenfreundin eine gewisse Rosa rugosa vulgo „Conrad Ferdinand Meyer“, deren Duft sie augenblicklich erliegt. Als hätte sie einen lange entbehrten, altbekannten Duft wiedergefunden, also kommen die Rosen in den Altausseer Garten, und damit beginnt das Ringen mit den Rehen, die die zarten Rosenknospen als Leckerbissen lieben. Es folgen Kapitel über allerlei Liliengewächse, olfaktorische Möglichkeiten verschiedener Pflanzen, sowie der Kreislauf von Essen und Gegessenwerden, der Erntezeit, deren Ergebnisse nicht nur den Gärtner erquicken. Der Hinweis auf die Berberitzen als köstliche Verfeinerung von verschiedenen altbekannten Speisen, wird sicher nicht nur im Dorf der Autorin ein Erfolg bleiben! Schlußendlich werden sogar Gärtnerschrullen gebeichtet wie zum Beispiel das beschwörende Reden mit Pflanzen. Nur einen Aspekt der Gartenpflege läßt die Autorin leider ganz beiseite – den der Gießkunst.

Eingebettet sind die gärtnerischen Hardfacts in kontinuierlich eingestreute Überlegungen zum Thema „Mensch und Natur“; es ist die Geschichte einer Annäherung mit Schwierigkeiten, die in einer euphorischen Liebeserklärung mündet: Frischmuths Garten, so die Autorin, darf mehr als bloß dürfen, er soll überwältigen. Er soll überwältigen durch die Vielfalt seiner Formen, seiner Farben, seiner Düfte und durch all die Veränderungen, die in seiner Natur liegen. Und die Autorin ist überzeugt, daß sich der Garten seinen Gärtner oder seine Gärtnerin sucht und diese vor allem bemüht sind, ihn seine Möglichkeiten leben und bis an seine Grenzen gehen zu lassen.

Insgesamt ist die Publikation – mit Fotografien von Herbert Pirker – ein Text zwischen den Gattungen: Tagebuch, Gartenratgeber, Essay. Die insgesamt 15 Kapitel sind auch einzeln lesbar, obwohl sie ihren ganzen Anspielungsreichtum erst in der Gesamtheit entfalten. Alles in allem ein Schmökerband für Naturfreunde, der aufgrund des ironisch-intellektuellen Zugangs zur Materie auch Naturbanausen gewinnen kann.

Barbara Frischmuth Fingerkraut und Feenhandschuh
Ein literarisches Gartentagebuch.
Fotos: Herbert Pirker.
Berlin: Aufbau, 1999.
159 S.; geb.
ISBN 3-351-02861-X.

Rezension vom 27.07.1999

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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