Im Zentrum des Romans steht Kommissar Falt Groschen vom Morddezernat Wien, der in einer anonymen E-Mail darauf aufmerksam gemacht wird, dass sich in absehbarer Zeit ein bekannter Sportler umbringen würde, wobei es sich bei dem vermeintlichen Suizid jedoch um Mord handle. Als sich dann zehn Tage später der erfolgreiche österreichische Leichtathlet Edgar „Strudel“ Wenninger aus dem vierten Stock eines Zinshauses stürzt, wird Groschen hellhörig. Auch wenn der gefeierte 400-Meter-Läufer – das „Wiener Wunder“, wie er von seinen Fans genannt wird – nach einem Doping-Skandal, der damit einhergehenden öffentlichen Verurteilung, der Kündigung seiner Sponsorenverträge, der drohenden Gefängnisstrafe und angesichts seiner zerrütteten Ehe allen Grund gehabt hätte, seinem Leben ein Ende zu setzen, zweifelt Groschen am Selbstmord des Sportlers und nimmt die Ermittlungen auf. Und die führen den Kommissar tief in den Sumpf der Sport- und Dopingindustrie. Geschickt beleuchtet Franzobel in der Folge unterschiedliche Facetten dieses brisanten Themas: den sehnlichen Wunsch der Sportler nach Ruhm, das scheinheilige Interesse an einem „sauberen“ Hochleistungssport, die Sensationslust der Medien und des Publikums, das Geschäft mit dem Doping, die Rolle der Dopingfahnder und auch die gesundheitlichen Konsequenzen von Doping. Auch Sportverbände, Sponsoren oder die Gesellschaft im Allgemeinen bleiben nicht verschont.
Trotz dieser massiv gesellschaftskritischen Elemente ist Wiener Wunder ein sehr kurzweiliger und unterhaltsamer Text. Das liegt zum einen an der Leichtigkeit der Sprache, an den zahlreichen Wortspielen und den humorvollen Bemerkungen, vor allem aber an den skurrilen Figuren, die den Roman bevölkern und die – wie so oft bei Franzobel – mit sprechenden Namen ausgestattet sind. Der Dopingdealer Karl Stanek (auch „Spritzen-Charly“ genannt), der Dopingfahnder Hanns Hallux, der Society- und Sportreporter Walter Maria Schmierer, Wenningers Ehefrau Marion und der solariengebräunte Trainer Oktavian Tulipan (gleichzeitig der Geliebte von Wenningers Frau) bilden den Kreis der Verdächtigen. Zum Kreis der Ermittler zählen die Inspektoren Gordon Zwilling und Martin Zakravsky und vor allem der „plebejische […]“ (98) Kommissar Falt Groschen, „ein großgewachsener, leicht übergewichtiger Mann, stoisch, phlegmatisch, verschlossen“ (15), Mitte vierzig, „ein richtig ranziger Eigenbrötler, der sein ganzes Einfühlungsvermögen in seine Arbeit steckt […]“ (121) und dem nichts so zuwider ist wie „Scheinheiligkeit und Doppelmoral – vor allem aber die eigene Ohnmacht, nichts daran ändern zu können“ (117). Franzobel hat mit Falt Groschen eine genretypische Hauptfigur mit schrulligen Eigenheiten, machistischen Anwandlungen aber insgesamt sympathischen Zügen geschaffen, die Ähnlichkeiten mit Inspektor Columbo oder Kommissar Maigret aufweist, ihren Vorbildern aber um nichts nachsteht.
Ähnlich konventionell wie die Charakterisierung des Protagonisten präsentiert sich die Struktur des Romans. Die inhaltlichen Elemente der Handlung und ihr Aufbau orientieren sich sowohl am Detektivroman als auch am Thriller, wobei es Franzobel geschickt gelingt, die beiden Untergattungen miteinander zu verknüpfen, indem er beispielsweise auf die Inszenierung der Überführungsszene (ein typisches Element des Detektivromans) ein unerwartetes und gelungenes Finale folgen lässt, das formal und strukturell dem Genre des Thrillers zuzuordnen ist.
Insgesamt kann Wiener Wunder als ruhiger, unterhaltsamer, witziger (mitunter nur knapp oberhalb der Gürtellinie) Kriminalroman beschrieben werden, der sich teils schräg, teils klischeehaft (was angesichts der Gattung durchaus sein darf) aber durchwegs ungeschminkt mit einem aktuellen gesellschaftlichen Thema auseinandersetzt. Fanzobels Debüt als Krimiautor ist also durchaus geglückt, und Krimiliebhaber dürfen sich auf eine kurzweilige Lektüre freuen.