Die erzählte Geschichte rankt sich um Begegnungen, Momentaufnahmen und plötzliche, die Handlung vorantreibende Sequenzen, die den Zeitverlauf irritieren oder gar zum Bersten bringen können, vergleichbar mit einem Lichtstrahl, der auf geschliffenes Glas trifft: so genau wie zahlreich und ohne gemeinsame Richtung werden seine Bestandteile ausgeführt.
Es spielt dann keine Rolle mehr, ob man noch in jener Bar ist, in der die Präsenz der Frau mit den blauen Augen das Beschreiben der Heldin explodieren lässt, oder in dem Bett, in das sie sich gedanklich flüchtet, in ihrer Wohnung, in der sie von den Vorgängen der Welt Abstand nimmt, indem sie einzelne Objekte in ihren Kosmos einbaut und sich aus deren Perspektive beschreibt, um Ruhe zu finden. Es kommt immer wieder vor, dass Szenen dargestellt werden, als hätte die Erzählerin einen Schritt zurück gemacht und einen Splitter des Alltags als Phänomen betrachtet, um ihn in ihr eigenes, spezielles Erleben einzubetten. Rund um sie scheinen die Dinge zu funktionieren: da ist die organisatorisch begabte Schwester, die gut kochen kann, bunte Haarbänder trägt und um das filigrane Wesen der Heldin Bescheid weiß. Da ist die alte Dame, die trockenen Kuchen auftischt und deren ganzes Wohnzimmer aus Erinnerungen wie Staub besteht. Da sind all die Leute, die anscheinend wissen, wie man sich in Bars verhalten soll und in bekannten Codes kommunizieren, die der Heldin fremd sind. Sie lebt alleine und ihr Kühlschrank ist – im Gegensatz zu dem ihrer Schwester – leer, sie weiß nicht, was sie sagen soll, wenn man sie in der Familienrunde fragt, wann sie denn einmal einen Freund vorstellen wird. Es scheint, als lebte sie in anderen Wörtern, in Sinnzuschreibungen, die ihr durch die Finger fließen, weil sie einem Wandel unterliegen, an dem sie ständig teilhat, der aber wie die Dinge selbst zu keinem Abschluss kommen kann. Die Aussöhnung mit der Welt und ihren greifbaren Problemen liegt in diesem Fall in der Erinnerung, die ebenso wie die Gegenwart ihren Platz in der Gedanken- und Assoziationsstruktur des Textes hat. Nur langsam wird man herangeführt, an das Meer, an die Mutter, an das Kind, das die namenlose Heldin damals war.
Interessant ist dabei die Perspektive. Das Innenleben der in der personalen Erzählform beschriebenen Heldin geht mit dem äußeren Geschehen Übereinkünfte ein. Teilweise werden die Beschreibungen poetisiert, teilweise wird aber auch versucht, für Emotionen wie Furcht, Verlassenheit, Eigenständigkeit, aber auch das Bedürfnis nach Geborgenheit und die Flucht aus sozialen Situationen präzise Vokabeln zu finden. Weder Dialoge noch Namen markieren konkrete Punkte. Die bedeutungsbeladene Umgebung steht in einem Gespräch mit dem Gefühlsleben der Protagonistin. Wo auch die Gefahr des Kitsches gegeben ist, fällt Katrin Forstner mit einer teilweise düsteren Erzählhaltung auf: die Versprechen der Landschaft erfüllen sich nicht immer und stellen der Heldin eine Welt zur Verfügung, die der Suche nach dem Glück einen brüchigen Boden bietet.
Unter Zuhilfenahme von Perspektivenverschiebungen findet die Erzählerin durch den Text immer wieder zu sich; die Schatten beobachten die Schlafende, Farben nisten sich in ihrem Denken ein. Alles in dem Buch hat mit der Heldin zu tun, weil sie nicht aus ihrer Perspektive heraus kann, die zwar eine Außensicht ist, aber nur so die Vorgänge wiedergeben kann, ohne Erklärungen zu erwarten. Wir als LeserInnen sind in einer ungewohnten Position: Wir haben Teil an dem Geschehen, lassen Bilder entstehen, und finden uns genauso langsam wie die junge Frau, um die es geht, damit zurecht.