Ritter und Drache, Löwe und Maus, Spinne und Fliege, Elefant und Mücke, Schlange und Kaninchen, Igel und Hase, Kind und Puppe, Rose und Distel oder Blume und Biene sind Beispiele solcher Paarungen, die immer mit den Namen „Anna“ und „Franz“ ausgestattet sind, auch wenn sie selber dies gelegentlich nicht wissen und die Frage, wie sie heißen bzw. welcher Spezies sie angehören, in manchen der Arabesken den Kern und Fortgang der Geschichte ausmacht.
Es gibt also sechzehn Paarungen – plus das Paar König und Bettler, dem keine eigene Geschichte gewidmet ist, das jedoch in jeder der Arabesken z. B. als Attribut des gegenständlichen Paares oder als Ziel der gegenständlichen Handlung präsent ist. Darüber hinaus kommen in jeder Arabeske alle anderen Tiere auf die eine oder andere Weise vor: entweder treten sie direkt als Spiegelungen des zentralen Paares auf oder sie werden qua Ähnlichkeit als Referenzobjekte herbeizitiert – seien diese Ähnlichkeiten nun äußerlich gegeben (z. B. die längliche Form einer Schlange und eines Schwanenhalses) oder durch ihre Attribute (z. B. Listigkeit für Schlange, Fuchs und Spinne; oder Schönheit für Rose und Schwan); durch ihre strukturellen Merkmale (das Kind als Lebendiges, die Puppe als das, womit gespielt wird) oder durch Eigenschaften und Strukturähnlichkeiten, die auf Relationen beruhen, wie sie die Rhetorik verzeichnet: z. B. verdankt sich die Vorstellung von einem Schiff als Bauch der Welt und zugleich als Himmelsgewölbe einer Übertragung durch Metapher bzw. einer Verschiebung durch Metonymie. Darüber hinaus können auch phonetische Ähnlichkeiten (Schwan – Schwein, Schiff – Fisch) oder Ableitungen aus Redewendungen, die sowohl wörtlich als auch bildlich verstanden werden, die Zusammenstellung von Paarungen bedingen oder den inneren Reflexionszusammenhang der einzelnen Arabeske leiten.
Es ist das wesentliche Strukturmerkmal der Czerninschen Gestaltung, daß die vorgestellten Figuren, ihre Funktion im Erzählzusammenhang und die Bedeutung ihrer durch Verben und Redewendungen bezeichneten Handlungen (fast) immer – gleichzeitig – sowohl wörtlich als auch bildlich verstanden werden können. In der Diktion der Czerninschen Arabesken: geflügelt und unverblümt; oder: ungeflügelt aber verblümt. Die Figuren können sich auch durch ihre Gegenteiligkeit, Gegensätzlichkeit oder Umkehrung aufeinander beziehen, kraft einer extrem konditionalen Wortverwendung und einer sich aus der Gedankenlinie ableitenden Reflexion: wenn z. B. die nach Maßgabe des Alltagsverständnisses tote Puppe zum lebendigen Kind sagt: „Wenn ich, die ich doch auch nicht lebe, sondern auch tot bin, sofern ich eine Puppe bin, doch auch die bin, die mit dir spielt, dann lebst du auch, sofern du tot bist, da du doch tot bist, sofern ich mit dir spiele.“ (S. 40)
Die gegenseitigen Benennungen, Verwechslungen, Verschiebungen, Vertauschungen und Umkehrungen in Czernins Arabesken wirken in mehrere Richtungen: die einfache Handlung, jede einfache Nennung einer auftretenden Figur, ist an Relativität und Bedingtheit geknüpft. Keines der präsentierten Tiere oder Dinge, keine der Pflanzen ist unabhängig von den anderen wirksam, keine der Handlungen und deren Funktionen besteht ohne Beeinflussung durch andere Handlungsteile und umgekehrt: ohne selbst die anderen Geschehnisse zu affektieren. Nichts tritt wirklichkeitsgewiß auf, sondern alles ist in ein Geflecht von Bezügen, Möglichkeiten und Verweisen eingebunden, die sowohl entlang des linearen Erzählverlaufs als auch diesem entgegengesetzt, wie auch unabhängig von diesem bedeutsam werden können.
So etwas wie Handlung kann man den Arabesken nur dann unterstellen, wenn man annimmt, daß jedes der in ihnen angewandten poetischen Verfahren (Vertauschung, Verwechslung, Bildlich- und Wörtlichnehmen) auch geschieht, daß „jeder Vergleich eine Handlung und jede Handlung ein Vergleich“ (Czernin) ist. Czernin stellt seinem Buch den Eintrag zu „Arabeske“ aus dem Historischen Wörterbuch der Rhetorik nach: „Die Einheit ist keine Einheit der Handlung. Friedrich Schlegel: ‚Es geschieht eben nichts, und es ist doch eine Geschichte.‘ Sie gründet in der Eigentümlichkeit des Dichters, in dessen Sprachmächtigkeit: ‚Absolute Rhetorik ist ein Ziel.'“ (S. 255) Damit wird ein neues Licht auf die Debatte von Schmuck und Sache, von Ornat und Inhalt geworfen: Indem der rhetorische Aufwand absolut und ins Zentrum gesetzt wird, hebt sich die Unterscheidung von Sache und Schmuck, von Inhalt und Kleid mit einem Mal auf, weil mit den Mitteln der Rede eben diese Rede ins Zentrum gerückt wird.