#Roman

Der Präsident

Clemens Berger

// Rezension von Judith Leister

Wie steht es eigentlich um die künstlerische Aufarbeitung des Phänomens Trump? Wo bleibt die literarische Antwort auf die kriminellen Clan-Aktivitäten im Weißen Haus, die schließlich die ganze Welt etwas angehen? Gibt es schon einen gültigen Roman über den Mann, der die USA unter dem Motto „Let’s make America great again“ zur Bananenrepublik machen will?
Man kann nicht sagen, dass es noch niemand versucht hätte.

Der jüngste Wurf von jenseits des Atlantiks dürfte von Dave Eggers, bekannt durch „The Circle“ (2013), stammen. In seiner Satire „Der größte Kapitän aller Zeiten“ (2020) wirtschaftet ein selbstverliebter Kapitän das Schiff „Glory“ herunter – mit dem natürlich die USA gemeint sind. Von Nautik versteht dieser Mann so wenig wie die echte Melania Trump, die jüngst im Rosengarten des Weißen Hauses alle Apfelbäumchen herausreißen ließ, von Gartenkunst. Am Schluss des Romans retten – in einer etwas zu gut gemeinten Pointe – Boat People das Schiff „Amerika“. Vielleicht nicht „too little“, aber „too late“, urteilte die Kritik: Das Buch komme einfach zu spät. Es habe nichts Neues zu erzählen.

Schon 2017, im ersten Amtsjahr Trumps, ist dagegen „Golden House“ von Salman Rushdie erschienen. Darin erlebt der skrupellose Immobilien-Tycoon Nero Golden, der eine Russin zur Frau hat und sich die Haare färbt, mit seinen drei Söhnen in New York einen beispiellosen Aufstieg und Fall. Die Urteile der Kritik über das auswuchernde Werk reichten von „manisches, tollstes Breitbandkino“ bis zu „maximaler Tourette-Modus“. Eine Figur namens „Trump“ erscheint immer wieder am Rande, schrill verfremdet zu The Joker, mit grünen Haaren. Wenn auch die meisten Rezensenten zugestanden, Rushdie sei „too big to fail“, fand mancher doch, Erscheinungen wie „Nero Golden“ bzw. Donald Trump würden hier unterkomplex verhandelt.

Auch im deutschsprachigen Raum hat man sich schon an Trump abgearbeitet. Dieses Jahr kam Ilija Trojanows Roman „Doppelte Spur“ heraus, der dem Trumpismus mit den Mitteln der Aufklärung beikommen will. Die Hauptfiguren einer weltweiten mafiosen Verschwörung sind darin der amerikanische und der russische Präsident. Trump, in Anspielung auf die Trump Towers „Schiefer Turm“ genannt, dient den Russen offenbar als eifriger Geldwäscher. Dem Buch liegen intensive Recherchen Trojanows zu Grunde. Ein Rezensent vermutete, dass die fiktionale Form hier nur der rechtlichen Absicherung des Autors diene und resümierte: „Als Roman ist „Doppelte Spur“ nicht der Rede wert, als Enthüllungsbuch umso mehr.“

Auch die wackere Elfriede Jelinek, mit der wir nun endlich österreichisches Terrain erreichen, hat bereits eine ihrer sprachgetriebenen Interventionen vorgelegt. Ihre Arbeit an „Am Königsweg“ begann nach eigener Aussage am Abend von Trumps Wahlerfolg. In dem vielstimmigen Opus denkt ein willfähriges Volk über die „Weltanschauung“ des „neuen Königs“ nach, erörtern laszive Stimmen seine Neigung zu Gewalt und Sexismus, klingen gelegentlich auch märchenhafte Töne durch. Doch wird man dem Phänomen Trump durch Rückgriff auf die Monarchie gerecht? Jelineks Stück, das der Bayerische Rundfunk inzwischen als Hörspiel aufbereitet hat, lässt daran zweifeln.

Nun also Clemens Berger mit seinem Roman Der Präsident. Vordergründig geht es in diesem heiteren, leichten Buch nicht um Donald Trump, sondern um Ronald Reagan, der von 1981 bis 1989 amtierte, beziehungsweise seinen Doppelgänger. Diesen Doppelgänger gab es wirklich: Es handelte sich um einen Mann aus dem Burgenland, der in den USA aufgewachsen und dort Polizist geworden war. Diese drei Fakten übernimmt Clemens Berger für seine sympathische Hauptfigur Jay Immer, der als Alias des Präsidenten-Schauspielers und Schauspieler-Präsidenten Ronald Reagan nun für Geld Reden hält, Einkaufszentren eröffnet und an Hot-Dog-Wettessen teilnimmt.

Vor 40 Jahren verwendete Ronald Reagan den Slogan „make America great again“ als erster. Er gab die Entspannungspolitik seiner Vorgänger auf und setzte, zumindest in seiner ersten Amtszeit, auf Aufrüstung bis hin zum „Star-Wars“-Programm, das einen Abwehrschirm gegen Interkontinentalraketen vor allem aus Russland aufbaute. Im Zuge der „Reaganomics“ kürzte er Sozialprogramme und senkte die Steuern für Unternehmen. Durch Letzteres gilt er durchaus als einer der Vorgänger der Politik Donald Trumps.

Zurück zum Roman: Zunächst sind Jay und seine Frau Lucy glückliche Nutznießer des Luxuszuwachses, den ihnen der neue Job bringt. Doch als Jay auch angefeindet wird, entwickelt der vorher unpolitische Kleinbürger ein politisches Bewusstsein. Er setzt sich für gekündigte Flutlotsen ein und wird zum Schluss sogar zum Umweltaktivisten. Er freundet sich mit einem Gorbatschow-Doppelgänger an, der den damaligen Immobilien-Tycoon Donald Trump foppt, als der sich über den vermeintlichen Besuch aus dem Kreml im Trump Tower freut.

Clemens Bergers Buch ist der charmante Beweis dafür, dass man über Donald Trump sprechen kann, (fast) ohne über ihn zu sprechen. Denn dieser Jay Immer mit seiner Einwanderergeschichte, seiner Mitmenschlichkeit und seiner harmonischen Ehe ist natürlich auch ein Gegenentwurf zum tobenden Egomanen im Oval Office und seiner aufblasbaren Frau. Man goutiere dieses amüsante Buch während eines Corona-Time-Slots im örtlichen Freibad auf einem möglichst großen Handtuch mit Stars & Stripes!

Auf die „Great American Novel on Trump“, die in Zeiten der Globalisierung natürlich sonstwo geschrieben werden könnte, wird man aber wohl noch warten müssen.

Clemens Berger Der Präsident
Roman.
Salzburg: Residenz, 2020.
336 S.; geb.
ISBN 9783701717330.

Rezension vom 01.09.2020

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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