Reptilien kommen natürlich nicht vor, gefräßige Zweibeiner dagegen schon.
So undenkbar es ist, dass in Romanzen à la Rosamunde Pilcher lautstark und öffentlich gefurzt wird, so undenkbar ist es, dass in den Krimis à Jürgen Benvenuti nicht lautstark und öffentlich gefurzt wird. Denn der junge Vorarlberger Autor beherrscht sein Genre. Gekonnt mischt er Krimi-Versatzstücke mit einem Schuss Quentin Tarantino zu einem steifen Cocktail.
Da gibt es Oberinspektor Forecker, den beziehungsgeschädigten, rauen, übermüdeten, zynischen, leicht angegrauten Schnüffler mit dem weichen Herzen. Es gibt einige korrupte Reiche, wie Lazlo Biscolli, den Benvenuti-Leser bereits aus „Remora“ kennen. Biscolli hat sich aus den brutalen Verbrecherkreisen der Unterwelt in die polierten Verbrecherkreise der guten Gesellschaft hochmanövriert. Es gibt auch eine schöne Frau. Sie ist kein verruchter Vamp und auch keine Schlüsselfigur. Leider. Ildiko ist die Schönheit an Lazlo Biscollis Seite. Sie gehört zu den Isignien des Siegers wie die luxuriöse Villa und der Bentley.
Es gibt ein paar Leichen logischerweise. Es gibt Gut und Böse, und den Geruch von Angst und Tod. Denn Lazlo Biscollis Ruhe wird durch den kleinen, aufstrebenden Gangster Veron Salarna empfindlich gestört. Der hat es auf die Schäfchen abgesehen, die die Organisation Biscolli ins Trockene bringt. Er will einen Anteil am Kuchen.
Lazlo Biscolli droht auf dem Zenit des Erfolgs ernsthaft Gefahr. Denn Salarna ist skrupellos, machtbesessen, ein Biscolli im Taschenformat. Die Drecksarbeit erledigt Stan Krokonski alias das Krokodil. Er gibt den klassischen Handlanger, geistig schwerfällig mit verrohten Instinkten. Er erinnert an den bizarren Bösewicht aus einem James Bond-Film, einen zwei Meter großen Riesen mit Stahlgebiss, der Roger Moore mit dem kleinen Finger durch die Luft wirbelt.
„Dann nahm er die Bierflasche, biß mit einem widerlichen Knirschen den Hals ab und spuckte ihn auf den Tisch. […] ‚Na‘, sagte Krokonski und grinste mit blutverschmiertem Mund, ‚würde eine Schwuchtel so etwas machen.'“
Die eigentlich tragische Figur in Benvenutis Krimi ist Oberinspektor Forecker. Er hält die Fäden im Fall Biscolli in der Hand und kann doch nichts tun. Er wird von seinen Vorgesetzten zum unfreiwilligen Zuschauer in die hinterste Reihe gedrängt. Denn Recht und Gesetz sind auf Seiten der Mächtigen. So findet der große Showdown nicht zwischen dem ehrbaren Schnüffler und dem Gangster Biscolli statt. Das Gute triumphiert nicht über das Böse. Welch unamerikanische Sicht der Dinge! Das Gute triumphiert durch das Böse.
Lazlo Biscolli erschießt Veron Salarna, der sich posthum mit einer Autobombe rächt, die den gefeierten Biscolli in ein schwach röchelndes Häufchen aus zerfetzer Haut und zerborstenen Knochen verwandelt.
Die Trägheit der Krokodile lebt von rasanten Schnitten. Jürgen Benvenuti treibt seine Figuren mit lakonisch hingeworfenen Sätzen ins offene Messer. Gnadenlos, cool. Die Biscollis, Salarnas und Krokonskis leben in einer Welt ohne psychologische Tiefenschärfe. Nun ist dies für einen Krimi nicht unbedingt notwendig – solange Atmosphäre und Spannung stimmen.
Und dessen ist sich Jürgen Benvenuti sehr bewusst: „[…] ich will Dialoge, die runterrinnen wie warmer Honig, wie ein Song von Betty Lavette, den man trinken kann, […] Ich brauche Lakonie, trockenen Witz und plotpoints, die einem den Atem stocken lassen. Ich will betrogene Betrüger, die von betrogenen Betrügern beim Betrügen betrogen werden, ich brauche Politiker, die manchmal sogar altruistisch handeln, vorausgesetzt, es springt dabei was für sie raus (das war doch nicht wirklich als Ross-Thomas-Hommage gedacht, oder?). Ich fordere sex, crime, action und eine Prise blood’n guts, sowie das Anrecht auf gute, ordentliche Unterhaltung.“