#Roman

Heute könnte ein glücklicher Tag sein

Xaver Bayer

// Rezension von Peter Landerl

Die Wohnung trist, leer, kalt. Wurstsemmeln, halbleere Flaschen. Unterwegs sein. Von hier nach dort. Party auf Party, Besäufnis folgt Besäufnis. Die Universität ein Unort. Monotonie. Kleine Fluchten auf den Cobenzl, aufs Land oder ins benachbarte Ausland. Egal, hier wie dort derselbe trübe Himmel, dieselben trüben Gedanken.

Inseln im Wiener Dschungel: ein vergessenes Espresso im siebten Bezirk, das Weinhaus Sittl am Gürtel: Orte des stillen, stetigen Verfalls, vergessen. Ruhe nur dort zu finden. Sonst Fluchten in Drogen oder Fadesse. Ein paar lichte Momente, schließlich will die Diplomarbeit geschrieben werden. Stillstand, Langeweile, tiefe Langeweile. Läuten von Handys. Flüchtige Freundschaften. Kaum wird sich der junge Held bewusst, dass er sich wohl fühlt, steigt ihm das bekannte Gefühl des Unwohlseins ins Hirn. Die Seifenblase zerplatzt. Du Tollpatsch! Einmal zum Beispiel habe ich mich nach einem bestimmten Mädchen gesehnt, und als ich sie dann sah, wünschte ich ihr oder mir den Tod, so unwohl fühlte ich mich. Als ich später darüber nachdachte, war ich entsetzt über meinen Wunsch. Wenigstens werden die Tage wieder länger.

Ein paar Mädchen sind da auch, aber – keine Angst – nichts Ernstes. Das Desinteresse gilt auch fürs weibliche Geschlecht. Anna, Judith, Bettina: Sie kommen und gehen. Einmal ein kurzer Besuch in einer Peepshow. Aber auch hier kein Höhepunkt. Wo bleibt der kick? Ein kurzer Gefühlsausbruch, als der Protagonist und sein Freund einen alten Bus nach allen Regeln der Kunst demolieren, Pflastersteine in die Scheiben werfen, die Sitze aufschlitzen. Flüchtige Augenblicke des Glücks, die Figuren unfähig, sie festzuhalten. Ist dir eigentlich aufgefallen“, sagt Peter, „daß man kaum mehr vernünftige Gespräche führen kann“ Man redet im Grunde nur noch über Filme, Musik, Drogen und wer mit wem gevögelt hat, ohne sich für diese Geistlosigkeit zu genieren.
Man schrammt scharf am wirklichen Leben vorbei, geht es um das Existenzielle, um den Tod der Großmutter beispielsweise, versagen die Lebensmechanismen.
Wortanalyse: irgendetwas, irgendwo, irgendwann, an vielen Stellen des Textes zu lesen: das Beliebige, das Ungenaue – Unschärferelation. Eine umfassende Orientierungslosigkeit, verursacht durch die Folgenlosigkeit des Tuns. Jeder ist seines Unglücks Schmied. Der Dandy leidet.
Einzig die Musik scheint Kontinuität, scheint Glück zu versprechen und einzuhalten. Die wichtigste Funktion die repeat-Taste: Wiederholung der Ahnung von Glück.
Vorbeigelebt, satt: Dann dachte ich auf einmal, das Ding hinter mir könnte ein Fallschirm sein, der an meinem Rücken hängt, und ich könnte jetzt von dieser Klippe springen. Also trat ich an den Rand der Klippe, streckte die Arme nach vorne und sprang. Aber alles nur ein Traum.

Xaver Bayer Heute könnte ein glücklicher Tag sein
Roman.
Salzburg, Wien: Jung und Jung, 2001.
191 S.; geb.
ISBN 3-902144-12-2.

Rezension vom 09.12.2002

Originalbeitrag. Für die Rezensionen sind die jeweiligen Verfasser:innen verantwortlich. Sie geben nicht notwendig die Meinung der Redaktion wieder.

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