Geschildert wird die Lebensgeschichte des 1917 in Breslau geborenen John J. Baer, dem als Kind assimiliert-jüdischer Eltern 1938 gerade noch rechtzeitig die Flucht aus Deutschland gelang. Das Buch handelt vor allem von den Stationen, an denen sich Baer nach dieser Flucht in Provisorien einzuleben hatte – Peru, Bolivien, die vereinigten Staaten, von den Auswanderer-Cliquen, vom Ausgeliefertsein des Migranten an beamtliche Willkür und dergleichen. Es erzählt von diesen Dingen in einem ungekünstelten Tonfall, der dennoch vielen der geschilderten Ereignisse eine Patina von Normalität verleiht, die ihnen ganz sicher nicht innewohnte. Über diesen Umstand als Folge des einigermaßen holprigen „Großvater-erzählt-von-damals“-Stils, (für den vielleicht eher die Übersetzerin Verantwortung trägt – liest es sich doch streckenweise wie „Amerikanisch mit deutschen Vokabeln“) könnte man hier ausgiebig lästern, wäre es nicht nahezu geschmacklos, ein Buch, das deklarierterweise Zeitzeugenbericht ohne tieferen Hintersinn sein will, nach literarischen, künstlerischen Kriterien zu beurteilen.
Als solches nämlich, als ein Zeugnis, ein Schicksal von niemals zu vielen, die wir Spätgeborenen nachlesen können, als kleines Stück Leben, das sich dem Vergessen entreißt, hat „Geglückte Flucht“ seine Berechtigung. Daß es nach keiner anderen fragt, rettet es: Bahnbrechend neue Perspektiven, bisher unbekannte Ursachen oder Details des Holocaust werden nicht eröffnet, der Leser bleibt auch verschont vom deplaziert polternden Tiefsinn , mit dem schon so mancher Shoa-Autor seinem entsetzlichen Gegenstand vergeblich zu Leibe zu rücken versucht hat.
Aber wie gesagt: Wir haben es nicht mit einem genuin literarischen Werk zu tun: Wenn in weiteren sechzig Jahren jemand Baers Erinnerungsbuch am Dachboden oder in einem Bücheregal findet und darin zu blättern beginnt, und das „Nie vergessen!“ sich so perpetuiert, dann hat Geglückte Flucht alles erreicht, was es erreichen soll. Und kann.