United States of Absurdia ist kein Roman. Es ist ein Epos, nennt sich auch explizit so. Das Buch ist ein Konvolut aus Erzählsplittern, Beobachtungen, Betrachtungen, Mini-Reportagen, Einblicken, Ausblicken, den Monologen von Zufallsbekanntschaften und Momentaufnahmen in Text- und Bildform. Fremde Leben werden gestreift, ohne dass der Anspruch erhoben würde, sie zu erklären oder zu interpretieren. Sie sind, wie sie sind. Punkt. Und sie sind Teil einer Collage aus Bildbrüchen, Mythen, Erlebtem und Gedachtem, Gesehenem und Imaginiertem. Klang lässt sich dazudenken: während des Fahrens Cajun, Blues, Jazz, beim Stehenbleiben der Wind, der um die Strom- und Schildermasten pfeift. Es muss keine glatte Geschichte daraus werden, und es wird auch keine. Es ist vielmehr eine literarische Karthografierung, mit minutiös genauen Längen- und Breitengraden.
Die geografischen Koordinaten verankern den Text in der Landschaft, auf der Landebahn des San Francisco Airport (37°37’19.00″N, 122°22’38.00″W), auf dem Weg durch das Land zunächst nach Osten und Süden und dann wieder nach Norden und Westen, manchmal durch Städte, aber meistens durch dünn besiedelte Weite, an Orte, denen im Laufe der Zeit (ja, da spielt sie eine Rolle, sogar in Jahreszahlen) die Menschen zusehends abhandengekommen sind. Einmal, in den Redwoods, gehen selbst die Koordinaten verloren (??°??‘??.??“N, ??°??‘??.??“W), in den Ohren des Autors „pfeift es ein wenig von David Bowie“, und er findet sich im Nichts zusammen mit einer „CIA-Agentin“, mit der er sich auf seine weitere Reise begibt. Ja, auch die Liebe hat ihren Platz. Unaufgeregt, verwoben in den Rest des Texts, ebenso wie Mythen, Erzählungen vom täglichen Existenzkampf oder Small Talk darüber, welche Route denn nun am besten zu nehmen sei. Oder Anklänge an die jüngere Kulturgeschichte. Alles hat seinen Platz. Und alles hat viel Platz. Das Absurde. Das Alltägliche. Das Außerirdische. In den Weiten der Landschaft und in den Lebensläufen darin.
Im Moment steckt immer auch schon seine Geschichte. Und manchmal Erinnerungen an Begegnungen mit Menschen, die nicht mehr am Leben sind. United States of Absurdia ist ein vielstimmiges Buch, Leben und Dichtung spielen sich auf der Straße ab, in Begegnungen, Beobachtungen, erwarteten und unerwarteten, entfaltet sich ein poetisches Programm, das vom Einreiseverhör bis zu Aliens und Ufos reicht, und auch einmal Tausende Meilen ohne Espresso auskommen muss. Der Osten des Kontinents wird gestreift und schnell wieder verlassen, die Hommage gilt vor allem dem Westen – und dem was in the Middle of Nowhere liegt, in den Wäldern, zwischen den Felsen, in der Wüste, wenn es sein muss auch im Tal des Todes, das lebendig wieder zu verlassen gar nicht so selbstverständlich ist.
Selbstverständlich ist auch sonst nicht vieles, und das scheinbar Selbstverständliche wird zerlegt und zerpflückt von allem Anfang an. Die Heterogenität der Perspektiven spiegelt sich im Stil mancher Einzelteile, einem Spiel mit Genres und Historizität. Gleich zu Beginn werden ethnografische Beschreibungen auf die Schaufel genommen, und archaische Geschichten und Mythen verbinden sich mit Anklängen an William S. Burroughs oder Allen Ginsberg und immer wieder mit Musik. Thomas Antonic‘ Epos ist eine simultanistische Hommage an die Vorstellungskraft, an das Schräge, aber auch das Gemächliche, das aus der Zeit fällt, weil es nicht anders kann. Ein Buch wie ein Idependent Film, ein Road Movie in Schwarzweiß ohne Schwarzweißmalerei. Ja, die United States of Absurdia sind ein guter Ort für Highway-Hypnose, in jeglicher Hinsicht. Und der Text hält fest, was sonst in trübem Gedächtnis verschwimmen würde.