Das Motiv auf dem Cover zeigt zwei Exemplare einer ausgestorbenen Gattung: Riesenalk. Derselbe könnte durch seinen süffigen Namen das Interesse der Autorin geweckt haben, scheint ihr doch auch das Federschwanz-Spitzhörnchen als der bukowski der tierwelt nennenswert. Oder aber: Nicht der Exzess, sondern die Vergänglichkeit steht im Fokus der Assoziation. Naturgewalten (hurricane kali) und soziale Untergangsszenarien (verbannung) – gerne im Futur 2, der „Vorzukunft“, formuliert – ziehen sich leitmotivisch durch den Band.
Unschöne Verhaltensweisen im Tierreich spricht Puneh Ansari mit Vorliebe dort an, wo man nicht mit ihnen rechnen würde. Meerschweinchen-Macker (superaggressiv!) regen sie so auf, dass sie sich Qualen ausdenkt für die Nager, auf dass diese bloß noch um häutun’& gnadentod betteln; ein meerschweinchendungeon findet sogar Eingang in die Überlegungen der Autorin zum weihnachtlichen Wunschzettel. Sexuell rabiate Pinguinmännchen stellt Ansari ebenfalls an den Pranger – mit bedenkend, auf welch gegensätzlichen Ideologien Wissenschaftskommunikation über die antarktischen arschlöcher beruhen könnte. Und auch die Schneehasen sind Schweine, moralisch betrachtet. So ist die Natur. das tut sie wenn man Ihr nicht mit Gesetzen die Gliedmaßen abhackt.
Doch auch in utopischen Ausblicken nehmen Viecher ihren Platz ein. Zum Beispiel Chamäleons, die die Post bringen, oder bebrillte oktopusse, welche den adler als dominantes wappentier ablösen und die staatsfahnen beherrschen. Ein kreativer Zugang zur Sprache bringt Neuschöpfungen zur Welt, auf der sich dann beispielsweise der stichwal herumtreibt – nicht nur diese Anspielung auf innenpolitisches Geschehen lässt Puneh Ansaris Texte im Österreichischen verorten. Für Leserinnen und Leser am Verlagsort Berlin ist manches wohl exotisch oder gar irreführend: irgendwo in NÖ ist nicht im Reiche der Verneinung, sondern im flächenmäßig größten Bundesland Österreichs; die „Wachbirne“ ist nicht ein besonders helles, „waches“ Köpfchen, sondern im Gegenteil ein „weiches“. Entgegenkommenderweise ist sie auch nur im Wachbirnenmanuchaoplastikwalkman mit bloß einem „a“ geschrieben, im Befund die Forenpisser sind Waachbirnen hingegen der Aussprache folgend, Unmissverständlichkeit befördernd.
Wien ist nicht nur sprachlich, sondern auch als Terrain von 13a und U4 sowie als nonvirtueller Lebensmittelpunkt zwischen Nationalbibliothek, Amt und Lugnercity die Protagonistin dieser Texte: Eines der längeren Posts, die im Umfang von seitenmittig platzierten Einzeilern (Ist „Bürokraft“ ein Wort das ok ist?) bis zu Dreiseitenplus-Gebilden reichen, bringt pro Satz Dutzende Wiener Lokale und Lokalitäten unter – wohlgemerkt allesamt als depressiv machend. Aufs Maul geschaut wird auch kontrastierend: Während der Name eines gewissen Schmerzmittels, das in d nicht mehr am Markt sei, ebendort pakimeed laute, heiße es in Wien und in der außerhalb der Hauptstadt gelegenen postbuspampa unerschütterlich: hea do mim bbaccke‘. Austriazismen (und Dialektales) spicken die Texte Ansaris genau so selbstverständlich wie Anglizismen (und Soziolekt), besonders hübsch als Fusion: Darth Vader etwa erlebt in Puneh Ansaris Worten mit, wie der Junior zamgetasert wird.
Der gewöhnungsbedürftige Apostroph aus dem Buchtitel findet sich analog auch in Gewuerzmischun‘ oder heilun‘. Ansaris Einsatz von Groß- und/oder Kleinschreibung hat genau so wenig System wie die Variationen in der Verschriftlichung von Umlauten oder Konjunktionen. Auch ihre Interpunktion ist eigenwillig, die übliche Kennzeichnung von Satzenden lässt sie links liegen und gleicht das Punktdefizit durch vervielfachte Frage- und Rufzeichen wieder aus. Letzteres macht sich auch gut als Binnen-I-Double, zum Beispiel im schönen Wort Österreicher!nnen. Gelegentlich kommt es zu Tippfehlerverwertung, etwa bei pseudowisschenschaftlich, das noch einen Hauch ablehnender wirkt als der Ausdruck in seiner korrekten Schreibweise. Leger räumt die Schreibende an einer Stelle ein, sie habe der autovervollstaendigung bissi den vortritt gelassen.
Von kleinen Alltags-Genervtheiten, ausgelöst durch Handyakku und Funkloch, Laptoptastatur, Internetverbindung und Emoticon-Politik vom fb in den Statussen lenkt Puneh Ansari das Augenmerk doch immer wieder in Richtung jener Themen, die in den Jahrzehnten vor ihrer Geburt mit Begrifflichkeiten wie Haupt- und Nebenwiderspruch zu fassen gesucht worden sind. Ansaris luzide Betrachtungen zur libidopill f.d.frau sind „Marlene Streeruwitz in goschert“, ihr Kommentar zur Lage Griechenlands illustriert den Faktor Kalkül durch großzügige Streuung von Dollar- und Prozentzeichen sowie cirka-Tilde. Bei allem Bewusstsein für die groben Auslasser menschlicher Zivilisation kultiviert Ansari dennoch Humor. Zu ihren subtil witzigen Texten gehört das Durchprobieren von Genrebezeichnungen für nachts auf dem staatlichen Kultursender anzutreffende elektronische Musik. Zum Niederknien lustig ist ihr reich ausgeschmücktes Szenario von „Fifty Shades of Grey“ In einer unverkrampfteren Welt.
Seinen Beitrag zu einer – zumindest publikationstechnisch – unverkrampften Welt leistet auch der unabhängige Verlag mikrotext, dessen Veröffentlichungen mit Informationen à la „ca. 350 Seiten auf dem Smartphone“ versehen sind. Nikola Richter, Gründerin der im vierten Jahr bereits gut in der Verlagsszene eingeführten Edition, machte sich ihren Namen als Fachfrau digitalen Publizierens u. a. als Mitbegründerin der Electric Book Fair oder mit ihrer E-Books-Only-Rezensionskolumne in der feministischen Zeitschrift Missy Magazine. Die Finanzierung der Publikationen bei mikrotext – „zunächst als E-Books auf Deutsch“, manches auch in Print und auf Englisch – organisiert Richter auch einmal per Crowdfunding.
Mittlerweile wartet das mikrotext-Verlagsprogramm mit einem Essay von Alexander Kluge (Die Entsprechung einer Oase) ebenso auf wie mit Übersetzungen syrischer Gegenwartsliteratur. Renommierte Schriftsteller wie Franzobel (Steak für alle) veröffentlichen neben jüngeren Entdeckungen wie Stefanie Sargnagel (In der Zukunft sind wir alle tot) oder dem in Österreich noch kaum bekannten gebürtigen Burgenländer Stefan Adrian, der sich unter dem Titel Der Gin des Lebens im poetischen Genre Drinklyrik umtut und bei mikrotext sein Romandebüt Bluffen vorlegte. Beim ersten Buch von Puneh Ansari handelt es sich um einen jener Titel, die parallel in gedruckter und digitaler Form erschienen sind. Nicht unerwähnt bleiben sollen die kleinen Zeichnungen Ansaris, die die betexteten Papier- und Bildschirmseiten hier und da ergänzen – oft aus dem Feld der fantastischen Fauna.
(das buch soll fad sein hab ich gehört) heißt es bei Puneh Ansari einmal, im Zusammenhang mit Ernest Hemingway – genau gesagt: mit Hemingway lesenden Huskies. Diese in Klammern gesetzte Meldung (einer Meldung) wird in Bezug auf Ansaris Erstling Hoffnun‘ nicht die Runde machen. Eher unfad!