Die Grundidee des Initiators Gustav Pichler, Leiter der Kulturabteilung der Salzburger Landesregierung, war die Förderung junger, unbekannter Salzburger Lyriker. Mit der finanziellen Beteiligung des Bundes ab der zweiten Vergabe 1954 verlagerte sich diese Orientierung mehr in Richtung eines repräsentativen Lyrikpreises für den gesamten deutschsprachigen Raum. Auffallend ist die Häufigkeit, mit der die Juroren keine Einigung erzielen konnten und zu einer Teilung und diversen anderen Formen der Aufsplitterung des Preises griffen (Anerkennungspreise, Stipendien und Förderungspreise, die seit 1977 als feste Institution geführt werden). Bei der erstmaligen Vergabe 1952 fanden die Jury-Mitglieder Hansjörg Graf und Otto Müller eine besonders feine Begründung für das Dilemma, sich zu keiner klaren Entscheidung durchringen zu können: „Unser Verantwortungsgefühl vor Georg Trakl und der literarischen Welt hindert uns daran.“ (S. 74)
In klassischer Manier gliedert sich der Band in drei Teile: Einem kurzen Abriß zur Geschichte des Georg-Trakl-Preises für Lyrik folgt eine sorgfältige Dokumentation aller im Rhythmus der runden Trakl-Geburts- bzw. -Todestage verliehenen Preise inklusive Biobibliografien der Preisträger, Tag und Ort der Verleihung, Juroren und Preishöhen. Gut die Hälfte des Buches nimmt der dritte Teil ein, der Auszüge aus Preis- und Dankesreden, Stellungnahmen von Juroren und auch einige Presseberichte versammelt. Dort, wo der Autor in seinem geschichtlichen Überblick mit kritischen Darlegungen sehr sparsam ist (allerdings ohne etwas zu vertuschen), greift die geschickte Auswahl der Textpassagen mitunter unauffällig ergänzend ein. Zum Beispiel, was die Spuren der nationalsozialistischen Vergangenheit von Juroren (Hans Deißinger, Karl Heinrich Waggerl) und Preisträgern (Josef Laßl, Erna Blaas) betrifft, oder die große Modernismus-Debatte, die 1967 die Verleihung des Preises an Gundl Nagl begleitete. Der lapidare Abdruck des inkriminierten Gedichtes Zahnweh, eine Stellungnahme aus dem Salzburger Volksblatt (Franz Kottira) sowie die Rechtfertigung des Jurors und Laudators Walter Weiss ergeben ein rundes Bild der kulturpolitischen Hintergründe dieser „Erregung“.
Nicht an politischen Zusammenhängen interessiert, aber eine treffliche Charakterisierung des Kunstverständnisses der Zeit ist die hier erstmals abgedruckte Satire Im Umbruch seelischer Durchschütterungen. Nachrichten von der Verleihung des Georg-Trakl-Preises 1957 von Gerhard Amanshauser, der preisgekrönte Gedichte von Erna Blaas und Walter Zrenner lustvoll zergliedert. Nicht aufgenommen werden konnten leider jene Gedichte, die Thomas Bernhard 1952 (vom Juror Otto Müller damals als „unterdurchschnittlich“ eingestuft) und 1957 ohne Erfolg einreichte und die zum Teil bis heute nicht veröffentlicht sind. 1970 fand der Vorstoß des Jury-Mitglieds Walter Weiss, mit einer Ehrung H. C. Artmanns verspätet auf die Wiener Gruppe hinzuweisen, noch kein Gehör, 1974 erhielt dann Ernst Jandl den Preis. In der Folge ging die Ehrung an Friederike Mayröcker und Rainer Kunze (1977), Ilse Aichinger (1979), Christoph Meckel (1982), Kurt Klinger (1984), Alfred Kolleritsch (1987), Julian Schutting (1989), Walter Helmut Fritz (1992), Hans Raimund (1994) und Günter Kunert (1997).
„Es gab keinen Skandal, kein Autor hat den Preis zurückgewiesen und die letzte größere Aufregung in der Öffentlichkeit gab es 1967, ist also schon lange her.“ (S. 36) Diese resümierende Einschätzung Hans Weichselbaums mag ein wenig zu positiv und vereinfachend klingen, ist aber für einen Jubiläumsband zum 45. Bestand des Georg-Trakl-Preises für Lyrik sicherlich zulässig.